Fachtagung für freie Werkstätten „Die Zukunft schreckt uns nicht“
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Rund 270 Teilnehmer diskutierten auf der 30. Fachtagung in Würzburg die Zukunft des Ersatzteilgeschäfts. Einhelliger Tenor: Trotz aller Herausforderungen muss es dem Kfz-Gewerbe nicht bange sein.

Für das erste Highlight auf der Fachtagung für freie Werkstätten und Servicebetriebe, die am 9. Oktober 2021 in Würzburg stattfand, sorgte Jürgen Karpinski, der Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe. In einer kämpferischen Rede rief er den rund 270 Teilnehmern angesichts der technischen Herausforderungen, denen das Gewerbe gegenübersteht, zu: „Die Zukunft schreckt uns nicht, denn wir haben schon ganz andere Herausforderungen gemeistert!“
Eine technische Herausforderung für die freien Werkstätten war es ja auch, die im Jahr 1992 zur Gründung der Fachtagung als Informationsveranstaltung für die markenunabhängigen Werkstätten geführt hatte: die damals neue Abgasuntersuchung, von der bei ihrer Einführung nicht klar war, ob sie auch in freien Werkstätten durchgeführt werden darf. Doch damals wie heute war es aktive Verbandsarbeit, die dafür sorgte, dass Chancengleichheit und Wettbewerbsfreiheit gewahrt blieben, wie Jürgen Karpinski betonte: „Wir müssen oft einen langen Atem haben, aber letztlich kommen wir ans Ziel.“
Aktuelle Beispiele dafür sind laut Karpinski die AÜK und die Abschaffung der Doppelprüfung. Ein neues Projekt, das der ZDK erst im September initiiert hatte und das der Verbandspräsident den Teilnehmern ausdrücklich ans Herz legte, ist die Zertifizierung als E-Car-Service: „Mit E-Car-Service schaffen wir die Möglichkeit, dass die Werkstätten als Partner für die E-Mobilität wahrgenommen werden.“
Mit Jeffrey Kilian stellte sich zudem der neue Vorsitzende der Bundesfachgruppe Freie Werkstätten im ZDK seinen Berufskollegen persönlich vor. Dass der Verband die Belange der markenunabhängigen Betriebe ernst nimmt, zeigte Kilian anhand von Neuheiten in der Verbandsorganisation. So kümmert sich in der Abteilung „Werkstätten und Technik“ ein eigenes Referat um die Belange der Freien. Und in der Bundesfachgruppe hat sich eine permanente Unterfachgruppe etabliert, die regelmäßig zusammentritt und ihre Projekte vorantreibt.
Daten sind gar nicht das neue Öl – nur das Rohöl
Eines der wichtigsten davon ist der diskriminierungsfreie Zugang der Werkstätten zu dem im Fahrzeug entstehenden Daten und zum Display des Autos. Dieses Thema stand im Mittelpunkt des ersten Fachvortrags der Tagung, den Dr.-Ing. Christian Knobloch gestaltete. Laut seiner Analyse ist die Automobilbranche in das Zeitalter des komplett digital überwachten Fahrzeugs eingetreten. Immer mehr Ersatzteile werden dadurch elektronisch identifizierbar und verbinden sich nach dem Einbau automatisch mit dem Netzwerk des Autoherstellers. Das liegt nicht zuletzt auch an Vorgaben der EU, die eine permanente Überwachung aller sicherheitskritischen Systeme verlangt. Da liegt es für die OEMs nahe, einfach alle Systeme für sicherheitskritisch zu erklären und zu überwachen.
Das heißt: Werkstätten, aber auch unabhängige Lieferanten brauchen Zugang zu diesem geschlossenen System, um überhaupt noch Reparaturen ausführen zu können. Laut Christian Knobloch sind vier Kompetenzen nötig, um den Kunden zukünftig Werkstattleistungen in vernetzten Fahrzeugen anbieten zu können:
- den Servicebedarf erkennen,
- dem Kunden die Leistung anbieten,
- die Wartung oder Reparatur durchführen,
- währenddessen live mit dem Kunden kommunizieren.
Zugleich räumte der Digitalisierungsexperte mit einem weit verbreiteten Irrtum auf: Daten seien mitnichten das neue Öl. Denn diese allein nützen den Werkstätten noch gar nichts – sie müssten auch ausgewertet und nutzbar gemacht werden. Im Moment gibt es dafür laut Knobloch noch keine zukunftssichere technische Möglichkeit für freie Kfz-Betriebe. Deshalb riet er den Betrieben, bei ihrer Digitalisierung zuerst andere Schwerpunkte zu setzen:
- 1. den Kundenkontakt digitalisieren,
- 2. die betriebsinternen Abläufe digitalisieren
- 3. und abschließend den Fahrzeugzugang zu digitalisieren.
Elektrofahrzeuge bieten auch Chancen im Service
All diese großen Herausforderungen keinesfalls negierend, konzentrierte sich Bert-C. Lembens von Continental in seinem Vortrag darauf, den Werkstätten die Chancen der technologischen Umwälzung nahezubringen. „Werkstätten sollten den Bedarf ihrer Kunden kennen, dann bleiben sie auch DER Ansprechpartner für die Mobilität“, betonte der Manager, der bei Continental auch das Schulungsprogramm für die Werkstätten verantwortet.
Auch zeigte Lembens auf, dass Elektrofahrzeuge im Service durchaus Chancen bieten. So liege der Reifenverschleiß je nach Fahrprofil um bis zu 60 Prozent höher als bei Verbrennerfahrzeugen, und mit der Hochvoltbatterie und dem komplexen Thermomanagement zögen neue Komponenten ein, die Wartung brauchen.
Preistransparenz nicht als Bedrohung sehen
Das Vortragsprogramm der Fachtagung stand unter der Überschrift: „Ersatz fürs Ersatzteil gesucht: Darauf müssen Sie sich im Ersatzteilgeschäft einstellen“. Interessante Anmerkungen zum Thema Transparenz auf dem Teilemarkt kamen von Florian Pinger, Gründer und Geschäftsführer der Vergleichsplattform Auteon. Er appellierte an die Zuhörer, beim Vergleich der besten Einkaufsquellen nicht nur auf den Preis zu schauen, sondern auch Kriterien wie Verfügbarkeit, Service und Qualität in die Entscheidung einzubeziehen. Auch sollten die Werkstätten die zunehmende Preistransparenz auf dem Teilemarkt nicht als Bedrohung auffassen, sondern auch als Chance sehen, ihren eigenen Einkauf transparenter zu machen.
Jakob Schreiner, Fachredakteur bei »kfz-betrieb«, gab in seinem Vortrag Ratschläge, wie Autobetriebe mit Kunden umgehen sollten, die die Ersatzteile zum Werkstatttermin selbst mitbringen. Sein Rat: „Bauen Sie keine fremden Ersatzteile ein!“
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