Europäischer Gerichtshof Große Klatsche für den „Motorschutz“

Quelle: dpa/jr |

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Bislang hat das KBA den deutschen Herstellern das so genannte Thermofenster weitgehend durchgehen lassen. Das könnte jetzt vorbei sein – Luxemburg hält diese Praxis je nach Ausprägung für unzulässig. Das hat wahrscheinlich Konsequenzen.

Große Kammer des EuGH
Große Kammer des EuGH
(Bild: Gerichtshof der Europäischen Union)

Volkswagen muss Autos mit Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung unter bestimmten Umständen von seinen Kunden zurücknehmen. Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil vom Donnerstag klargestellt, dass eine Software, die „einen überwiegenden Teil des Jahres“ einen höheren Ausstoß von Schadstoffen zulasse, grundsätzlich unzulässig sei. Ob dies in konkreten Fällen gegeben ist, müssen nun nationale Gerichte prüfen.

Hintergrund des Urteils sind drei Verfahren aus Österreich, in denen Autos von VW und Porsche mit Abschaltsoftware gegen die Abgasreinigung ausgestattet waren (Aktenzeichen C-128/20, C-134/20, C-145/20).

Nach Angaben des EuGH ließ diese Software zum Teil Stickoxid-Emissionen zu, die höher waren, als es die EU-Grenzwerte erlaubten. Dies sei nach Angaben der nationalen Gerichte bei Temperaturen unter 15 beziehungsweise über 33 Grad Celsius der Fall gewesen – dem „Thermofenster“. VW spricht von Temperaturen unter 10 Grad.

Kunden können Preisminderung verlangen

Die für die verhandelten Fälle geltende EU-Regelung sieht dem Gerichtshof zufolge vor, dass Kunden eine Nachbesserung oder einen Ersatz des Wagens verlangen können, sofern dies für das Unternehmen nicht unmöglich oder unverhältnismäßig sei.

Die Kunden können aber unter bestimmten Umständen auch eine Preisminderung oder eine Vertragsauflösung verlangen. Dies ist der Fall, wenn der Verkäufer nicht in einer angemessenen Frist oder ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Abhilfe schafft, wie der EuGH mitteilte.

Nach Ansicht von Volkswagen ist die in den verhandelten Fällen verwendete Software zulässig, auch weil sie den Motor schütze und Unfälle vermeiden könne. „Die Auswirkungen des Urteils auf Volkswagen sind deshalb gering“, hieß es.

Auch BMW- und Mercedes-Diesel zurückrufen

Andere Prozessbeobachter sehen das komplett anders: „Allein in Deutschland wurde das Software-Update von VW auf mehr als zwei Millionen Autos installiert“, kommentierte Rechtsanwalt Claus Goldenstein das Urteil, dessen Kanzlei nach eigenen Angaben über 42.500 Mandanten im Zusammenhang mit der Abgas-Affäre vertritt.

All diese Fahrzeuge würden nun laut Goldenstein wohl noch einmal zurückgerufen, denn auch nach dem Aufspielen des Updates stießen die betroffenen Autos außerhalb des Thermofensters unerlaubt viele Schadstoffe aus.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) müsse nun alle betroffenen Diesel, auch die von BMW und Mercedes, zurückrufen und auf Kosten der Hersteller mit wirksamer Abgasreinigung nachrüsten oder stilllegen lassen, forderte am Donnerstag der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch.

Dem EuGH zufolge ist es nur dann rechtens, zum Schutz des Motors ein Thermofenster einzubauen, wenn keine andere technische Lösung Risiken abwenden könne. Diese Ausnahme gelte aber nicht, wenn die Abschalteinrichtung bei normalem Betrieb und den überwiegenden Teil des Jahres zu viel Schadstoffausstoß zulasse.

Fadenscheiniges Motorschutz-Argument

Felix W. Zimmermann, Chefredakteur des Rechtsmagazins „Legal Tribune Online“, sieht in dem Urteil ein Ende der Praxis, Thermofenster mit Motorschutz zu begründen. Hersteller dürften nicht sehenden Auges teure Technik sparen, um sich später darauf zu berufen, dass sonst das Auto kaputt gehe. „Eine andere technische Lösung war und ist aber vorhanden.“

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