Mit Autogas am Limit
Ein Team aus Professoren und Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) sowie der Fachhochschule Kaiserslautern knackt mit einem Autogas-BMW die 300 km/h-Marke. Leider zählt der Rekord nicht offiziell.
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Alternative Antriebe, die sowohl den Geldbeutel als auch die Umwelt schonen, stehen derzeit immer wieder im Mittelpunkt der Diskussionen. Öko ist in – wirklich Aufsehen erlangt man jedoch nicht mit Spar- sondern mit Geschwindigkeitsrekorden. Das dachten sich auch die Professoren Dr. Harald Altjohann und Dr.-Ing. Thomas Heinze von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) sowie Dr. Patrik Klär von der Fachhochschule Kaiserslautern, als sie das Projekt „v300+“ initiierten. Ziel der Aktivitäten ist zu zeigen, dass das Potenzial des alternativen Kraftstoffs Flüsiggas noch lange nicht ausgeschöpft ist. Deshalb wollten sie mit einem Autogasfahrzeug aus der Kompaktklasse einen 25 Jahre alten Geschwindigkeitsrekord brechen, der bei 301,4 km/h liegt. Dafür wählten sie einen 1er BMW, den Professoren und Studenten gemeinsam mit dem Autotuner Hartge für den Rekordversuch umbauten. „Wir haben lange nach einer geeigneten Autogasanlage gesucht“, erklärt Heinze. Verdampfer-Anlagen reduzieren nach seinen Berechnungen die Motorleistung gegenüber dem Benzinbetrieb um fünf bis sieben Prozent, weil das eingeblasene Gas die Ansaugluft verdrängt. Daher fiel die Wahl auf eine Vialle-Anlage. Anlagen dieses Herstellers spritzen das Autogas flüssig in das Saugrohr ein, genauso wie Benzin-Einspritzanlagen das Benzin.
Doppelt fährt schneller
Um die fünf Liter Hubraum des Achtzylinder-Hartge-H1-Motors mit ausreichend Flüssiggas zu versorgen, integrierten die Studenten gemeinsam mit Experten des Anlagenherstellers zwei Vierzylinder-Gasanlagen im Motorraum. Eine besondere Herausforderung war es laut Heinze, die dadurch notwendigen beiden Gassteuergeräte mit dem Benzinsteuergerät zu koordinieren.
Genaue Anpassung
Besonderen Wert legte die Hochschulmannschaft auf die sorgfältige Adaption der Gasanlage. Denn Heinze war sich sicher, dass sie nur mit einer optimal eingestellten Anlage die benötigte Leistung erreichen konnten, ohne den Motor bei Volllast zu schädigen. Deshalb vermaßen sie die Zündungskennfelder mit einer im Motorsport genutzen Messbox von Innovate Motorsports in Kombination mit einer Breitband-Lambdasonde.
Durch die Anpassung der Zündzeitpunkte an die hohe Oktanzahl des Autogases hat der v300-BMW nun im Autogasbetrieb sogar zehn PS mehr Leistung als im Benzinbetrieb.
Rein rechnerisch reichen die rund 300 kW/400 PS des Wagens für 305 km/h. Dem Rekordversuch stand also technisch nichts mehr im Wege – allerdings konnten die Projektteilnehmer keinen Einfluss auf das Wetter nehmen. So fiel die Rekordfahrt im emsländischen Papenburg am 17. Oktober leider buchstäblich ins Wasser. Eine neue Bestmarkt für autogasbetriebene Serienfahrzeuge konnte das Team trotzdem setzen: Bei ersten Testfahrten am Morgen des Rekordtages raste der BMW mit 303,6 km/h über das Hochgeschwindigkeitsoval in Papenburg – sogar besetzt mit drei Personen. Für den offiziellen Weltrekord hätten die Fahrer die Teststrecke jedoch in beiden Richtungen befahren müssen.
Weitere Forschungen
Doch bevor sie zur offiziellen Rekordfahrt starten konnten, setzte starker Regen ein, der rekordverdächtige Geschwindigkeiten unmöglich machte. So war das hoch motivierte Studenten-Professoren-Team am Ende des Tages sichtlich enttäuscht. Zumal sie nachts noch eilig eine neue Antriebswelle für das Fahrzeug aus dem Saarland in Emsland geholt hatten. Von der alten Halbwelle waren bei ersten Fahrten am Vortag starke Vibrationen ausgegangen.
Die Enttäuschung wich jedoch schnell einer neuen Zuversicht. „Vom Prinzip her konnten wir zeigen, dass beim Autogasantrieb hohe Leistung und Umweltschutz nicht im Widerspruch stehen“, sagt Heinze. Autogas sei schließlich ein heute schon verfügbarer Alternativkraftstoff. Mit dem könnten Fahrzeuge wirklich praxistauglich betrieben werden und rein rechnerisch bis zu 18 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Das Projekt stand deshalb auch unter der Schirmherrschaft der parlamentarischen Staatssekretärin Astrid Klug vom Bundesumweltministerium. Um diese Werte allerdings zu erreichen, müsste laut Heinze die Motorentechnik komplett an den Kraftstoff angepasst werden.
Monovalent als Ziel
Die Entwicklung von Flüssiggasantrieben ist an der HTW mit dem V300-Projekt nicht abgeschlossen. In der nächsten Entwicklungsstufe wollen die Professoren den BMW mit einem rein monovalenten Autogasantrieb austatten. Zu diesem Zweck entwickeln sie mit ihren Studenten gerade einen speziellen Tank, der den Bauraum des bisherigen Benzintanks nutzen kann. Auch die Direkteinspritzung von Autogas in den Brennraum steht auf dem Forschungsplan der HTW. Es ist also wahrscheinlich, dass die Hochschulen einen zweiten Rekordversuch starten werden. „In der Wissenschaft macht man immer mehrere Versuche. Warum nicht auch hier“, sagt Altjohann zuversichtlich. Dazu passt auch, dass die HTW zu einem Wettbewerb der Hochschulen aufgerufen hat. Nach Altjohanns Vorstellung sollen auch andere Bildungsstätten Hochgeschwindigkeits-Flüssiggasfahrzeuge entwickeln, damit man künftig regelmäßig gegeneinander antreten könne. Auf diese Weise könnte der Kraftstoff noch größere Aufmerksamkeit bei den Autofahrern erlangen – was vielleicht zu einem Sinneswandel bei den Autoherstellern führe.
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