Restwert berechnet sich nach dem regionalen Markt
Für die Berechnung des Restwerts eines Fahrzeugs sind die regionalen Marktgegebenheiten zum Zeitpunkt des Unfalls erheblich. Verspätete oder weit entfernt erhobene Angebote muss der Geschädigte nicht akzeptieren.
Anbieter zum Thema
Das Amtsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 29. Juni entschieden, dass ein Unfallgeschädigter keine überregionalen Restwertangebote akzeptieren muss, die er sechs Monate nach dem Unfall von Schädigerseite erhält. Vielmehr sei für die Restwertermittlung nur eine zum Unfallzeitpunkt erfolgte regionale Restwertkalkulation maßgeblich (AZ:162 C 1147/10).
In Anlehnung an die aktuelle BGH-Rechtsprechung legten die Koblenzer Richter dar, dass der Geschädigte vom Schädiger nicht auf einen höheren Restwerterlös verwiesen werden kann, der erst durch einen Sondermarkt zu realisieren ist. Vielmehr darf sich der Geschädigte grundsätzlich auf das Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen verlassen.
Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war am 20 Juli 2009 unverschuldet Opfer eines Verkehrsunfalls. Danach ließ die Klägerin ein Sachverständigengutachten erstellen, wobei der Restwert am allgemeinen regionalen Markt ermittelt wurde. Die beklagte Haftpflichtversicherung legte ihrer Schadensabrechnung ein höheres Restwertangebot eines rund 400 Kilometer vom Wohnort der Klägerin entfernten Autohändlers zugrunde. Später – rund sechs Monate – legte die Versicherung der Berechnung schließlich zwei weitere Restwertangebote zugrunde, die aus dem regionalen Umfeld der Klägerin stammten.
Schwankende Preise erfordern schnelles Angebot
Diese erst ein halbes Jahr nach dem Unfallereignis eingeholten Restwertangebote seien unerheblich, entschied das Gericht. Da der Markt für gebrauchte Fahrzeuge erheblichen Schwankungen unterliege, könnten nur zeitnah eingeholte Restwertangebote maßgeblich sein. Hinzu komme im speziellen Fall noch die Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Unfalls als Investitionsanreiz eine Abwrackprämie bei der Verschrottung eines Altfahrzeugs beantragt werden konnte, was sich auf den Gebrauchtwagenmarkt auswirkte. Schon aus diesem Grund seien die erst ein halbes Jahr später eingeholten Restwertangebote unbeachtlich.
Auch die gezahlte Abwrackprämie sei bei der Berechnung des Schadenersatzanspruches nicht berücksichtigungsfähig. Diese sollte ein Investitionsanreiz für die Anschaffung eines Neufahrzeugs sein und nicht einer regulierungspflichtigen Haftpflichtversicherung zugute kommen. Für die Praxis bedeutet dies, dass sich der Geschädigte grundsätzlich nicht auf Restwertangebote verweisen lassen muss, die nicht aus dem allgemeinen regionalen Markt stammen und nicht zeitnah eingeholt wurden.
Auszug aus der Urteilsbegründung
Die im Streitfall entscheidende Frage, nach welchen Kriterien der den Wiederbeschaffungsaufwand verringernde Restwert des Unfallfahrzeuges zu bemessen ist, muss auf der Grundlage beantwortet werden, dass bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Satz 2 BGB der Geschädigte der Herr des Restitutionsgeschehens ist. Auch die Frage, in welcher Höhe dem Geschädigten bei einer Ersatzbeschaffung unter einer ihm möglichen und zumutbaren Verwertung seines Unfallfahrzeuges ein Schaden entstanden ist, ist subjektbezogen, d. h. nach der besonderen Lage des Geschädigten, zu beurteilen.
Demgegenüber kann ihn der Schädiger nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, der nur auf einen dem Geschädigten erst durch den Schädiger eröffneten Sondermarkt, etwa durch Einschaltung spezialisierter Restwertaufkäufer, zu erzielen wäre (vgl. BGH NJW 1992. 903; NJW 1993,1849). Dabei darf sich der Geschädigte grundsätzlich auf das Gutachten eines Sachverständigen verlassen. Anderes gilt nur dann, wenn dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen ausnahmsweise ein (Auswahl-)verschulden zur Last fällt oder für ihn aus sonstigen Gründen gegenüber dem Gutachten Anlass zu Misstrauen besteht (vgl. BGH a. a. O.).
Für Letzteres bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Nach den vorstehenden Grundsätzen muss sich die Klägerin deshalb auch nicht auf das der Schadensersatzleistung der Beklagten ursprünglich zugrunde gelegte Restwertangebot eines Autohändlers in Worms verweisen lassen. Dies hat die Beklagte zwischenzeitlich offensichtlich selbst eingesehen und legt Ihrer Berechnung nunmehr zwei Restwertkalkulationen aus dem regionalen Umfeld der Klägerin in Bad Salzuflen bzw. Herford über 1.300,00 bzw. 1.200,00 € zugrunde.
Auch diese sind jedoch für die Schadensberechnung und damit für die Ersatzleistung des Beklagten unerheblich. Unstreitig sind diese beiden Angebote erst zu Beginn des Jahres 2010 eingeholt worden, während das schädigende Ereignis ein halbes Jahr zuvor, nämlich am 20.07.2009 stattgefunden hat. Für die Restwertermittlung maßgeblich sein kann deshalb unter Zugrundelegung der vorstehend aufgeführten Grundsätze des Bundesgerichtshofs nur eine zeitnah erfolgte regionale Restwertkalkulation.
Der Markt für gebrauchte Kraftfahrzeuge unterliegt erheblichen Schwankungen, wobei im vorstehenden Fall noch die Besonderheit hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt des Schadensereignisses als Investitionsanreiz zur Anschaffung eines Neuwagens eine Abwrackprämie bei der Verschrottung eines Altfahrzeuges beantragt und ausgezahlt werden konnte, was sich zwangsläufig preisdämpfend auf den Gebrauchtwagenmarkt ausgewirkt hat. Die von der Klägerin erst 2010 eingeholten Restwertangebote sind deshalb für die Entscheidung unerheblich, ohne dass es diesbezüglich der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bedarf.
Die Vergleichsberechnung der Beklagten, die auf die von der Klägerin unstreitig erzielte Abwrackprämie abstellt, vermag ebenfalls nicht zur Klageabweisung zu führen. Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten ist gänzlich unverständlich. Konsequenterweise hätte sie dann bei ihrer Schadensberechnung von vornherein die von der Klägerin erzielte Abwrackprämie in Höhe von 2.500,00 € komplett berücksichtigen müssen. Im Übrigen diente die seinerzeit gezahlte Abwrackprämie als Investitionsanreiz für die Anschaffung eines Neuwagens und sollte nicht der Versicherungswirtschaft bei der Berechnung von Schadensersatzleistungen zu Gute kommen.
Die Klägerin darf insoweit nicht schlechter gestellt werden, als wenn sie, ohne dabei durch einen Verkehrsunfall veranlasst zu sein, ihr Fahrzeug hätte verschrotten lassen, um einen Neuwagen zu beschaffen. Die von ihr erzielte Abwrackprämie kann deshalb weder der Beklagten noch dem bei ihr versicherten Unfallgegner der Klägerin zu Gute kommen.
(ID:359569)