Silvretta Classic 2015: Ganz oben
Bei der diesjährigen Silvretta Classic Rallye strahlt die Bergsonne mit den automobilen Träumen um die Wette - und im 1957er Rolls-Royce gewinnt der Fahrer auf jeden Fall das Finale der Glücksgefühle.
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Noch drei Spitzkehren, dann ist die Bielerhöhe erreicht. 2.037 Meter über Meereshöhe auf der Silvretta-Hochalpenstraße, eine der klassischen Traumrouten durch Österreichs Bergwelt. 25 Grad, pralle Sonne - gut, dass der Fahrer bestens behütet ist.
Ein stilechter Panama-Hut sorgt für die nötige Beschattung, versteht sich - denn ein profanes Basecap wäre nun auch wirklich ein Stilbruch. Denn wir sitzen hinter dem Volant eines automobilen Traums, der eher selten wahr wird: ein Rolls Royce Silver Cloud Drophead von 1957. Nur 21 weitere dieser Cabrios gibt es rund um den Globus noch. Es ist also Weihestimmung angesagt beim Erklimmen der Bergeshöhen.
„Erklimmen“ trifft es aber auch nicht. Der fast 60 Jahre junge Rolls gleitet beinahe mühelos die Anstiege herauf, wenn die Möglichkeiten der Viergang-Automatik gezielt auf die Wahl der ersten beiden Gänge eingeschränkt wird. Da hat manch jüngerer Peugeot 404 oder Ford Fiesta I deutlich sichtbarere Mühen. Der Drophead mit seinem weit geöffneten Verdeck stiehlt den meisten seiner rund 160 Konkurrenten bei der 18. Auflage der Oldtimer-Rallye Silvretta Classic (2. bis 5. Juli 2015) natürlich die Show.
Kraft der sechs Zylinder
Da kann bestenfalls noch ein Bentley 4 1/2 Litre von 1928 mithalten, dessen 4,5 Liter großer Reihenvierzylinder 110 PS mobilisiert - die braucht er aber auch, um Kehre um Kehre des steilen Aufstiegs zu nehmen. Unser Rolls hat 45 PS mehr, war allerdings damals auch schon ein Auslaufmodell: Er ist einer der letzten, die noch mit einem Reihensechszylinder-Motor ausgeliefert wurden. Der 4,9 Liter große und 155 PS starke Antrieb ist 1959 mit dem Erscheinen der zweiten Generation des Silver Cloud durch ein V8-Triebwerk abgelöst worden.
Am Rand einer Zeitenwende bewegt sich unser Rolls aber auch, weil er zwar schon die integrierten Kotflügel und die fließende Linienführung aufweist, die seither alle neueren adligen Briten auszeichnet. Aber wie nach Altväter Sitte sind Rahmen und Karosserie noch getrennt - sonst hätten wir wohl keinen freien Ausblick aufs Bergpanorama Vorarlbergs und Liechtensteins. Denn dadurch konnten die Kunden ihren damals 5.078 Pfund teuren Silver Cloud noch mit Aufbauten nach Gusto veredeln lassen.
So konnte der Karrossenbauer H. J. Mulliner & Co. in London den – natürlich rechtsgesteuerten – Silver Cloud mit seiner Drophead-Mütze versehen. Schön für die Sommerfrischler auf der Rückbank. Und ihrem Chauffeur auf der Lederbank für die Bediensteten konnte die Arbeit auf Wunsch ab 1956 sogar mit einer Servolenkung erleichtert werden.
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