VW Atlas: America First
Lange mussten sich die US-amerikanischen VW-Händler gedulden, bis sie ihren Kunden endlich ein großes SUV anbieten konnten. Jetzt ist es soweit: Der VW Atlas steht in den Startlöchern.

Es muss für die Volkswagen-Ingenieure eine gänzlich neue Erfahrung gewesen sein. Eigentlich darauf bedacht, mit gegebenem Raum so effizient wie möglich umzugehen, beschied ihnen die befragte US-Klientel: „Zu klein“. Was VW auf Basis der Crossblue-Studie von 2013 auf die Räder gestellt hatte, war den als Kundschaft avisierten Familienoberhäuptern nicht eindrucksvoll genug. Und so wuchs das Auto, die Linien stapelten sich, haushoch türmte sich die Motorhaube. 5,04 Meter Länge, 1,99 Meter Breite und 1,78 Meter Höhe sprechen für sich.
Eindrucksvoll sieht es nun tatsächlich aus, was VW unter der Modellbezeichnung Atlas auf die Räder gestellt hat, und geradezu verloren wirkt die größere der zwei lieferbaren Maschinen, ein quer montierter 3,6-Liter-VR6, im gewaltigen Motorraum. Hier hätte nach erstem Augenschein geradezu ein W12-Aggregat, zumindest aber eine turboaufgeladene Variante der hier verbauten VR6-Maschine locker Platz. In China gibt es so einen Motor schon.
Er würde auch dem Atlas gut anstehen. Denn ein Beschleunigungswunder ist dieses SUV mit dem freisaugenden VR6 nicht. Dafür geht er seidenweich und höchst komfortabel ans Werk; der ungewöhnlich konstruierte Sechszylinder ist zwar kein Sparwunder, aber ein eindrucksvoll charakterstarkes Triebwerk. Natürlich kann der Einstiegsmotor, eine 238 PS starke Variante des 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo, alles praktisch genauso gut. Aber für viele Amerikaner gehört in dieser Klasse ein Sechszylinder einfach zum guten Ton.
Wer den Atlas mit Allradantrieb ordern will, hat auch gar keine andere Wahl: Es gibt ihn nur beim VR6. Zum Lieferumfang gehört dann ein Drehknopf, mit dem ein Allrad-Modus vorgewählt werden kann. Dabei orientiert man sich zuverlässig an den Bedürfnissen einer Klientel, die wenig Wert auf fahrdynamische Extratouren legt. Im „Snow“-Modus beispielsweise wird einfach Leistung hinweggeregelt, wenn das Fahrzeug Schlupf detektiert. Und überhaupt schickt das System maximal 50 Prozent Drehmoment auf die Hinterachse.
Kein Schalter, kein Diesel
Alle Atlas-Varianten sind mit einer von Aisin zugelieferten Achtstufen-Automatik ausgerüstet; eine Handschaltung gibt es ebensowenig wie eine TDI-Maschine, obwohl VW den Atlas eigentlich gerade mit diesem Motor in großen Stückzahlen absetzen wollte. Der Diesel-Skandal kam dazwischen.
Stilistisch lassen sich die beiden Motorvarianten übrigens nicht unterscheiden: Beide verfügen über eine zweiflutige Auspuffanlage, die bescheiden nach unten abknickt. Die chromglitzernden Parallelogramme in der Heckschürze sind reine Attrappe.
Das optische Gefühl eines schweren Wagens vermittelt der Atlas auch von innen: Man steigt aufrecht ein in diesen Fünfmeter-Meter-Geländewagen – und genießt äußerst großzügige Platzverhältnisse. Vor Fahrer und Beifahrer erstreckt sich die Armaturentafel in die Horizontale, das Platzangebot ist auch in der zweiten und dritten Reihe vorbildlich. Die mittlere Sitzbank kann variabel verschoben werden, und der Einstieg in die dritte Reihe geht auch für Großgewachsene leicht vonstatten.
Dahinter bleibt immer noch ein ansehnlicher Kofferraum übrig, der übrigens mit pfiffigen Ideen glänzt – beispielsweise einer Verstaumöglichkeit für das Heckrollo. Bei den meisten Konkurrenten muss das Utensil, sofern es im Wege steht, in der heimischen Garage bleiben.
(ID:44621258)