Achse nach vorn gebracht

Autor / Redakteur: Jan Rosenow / Dipl.-Ing. (FH) Jan Rosenow

Die Gewichtsverteilung auf Vorder- und Hinterachse ist entscheidend für das Fahrverhalten. Audis neuer A4 hat hier durch eine neue Achskonstruktion große Fortschritte gemacht.

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Über das Gewicht ihrer neuen Mittelklasselimousine haben sich die Audi-Ingenieure viele Gedanken gemacht. Zum einen mussten sie es möglichst gering halten, damit das Auto weniger verbraucht. Zum anderen wollten sie es besser auf beide Achsen verteilen, damit das Auto sportlicher fährt. Denn eine ausgeglichene Gewichtsverteilung ist die Voraussetzung für das gewünschte neutrale Fahrverhalten ohne Über- oder Untersteuern.

Die traditionelle Bauweise der Audi-Limousinen machte den Entwicklern die letzte Aufgabe besonders schwer. Seit dem Audi Front in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts setzt das Unternehmen auf einen längs eingebauten Motor und angetriebene Vorderräder. Der Motor ist vor der Vorderachse angeordnet, danach kommt die Kupplung. An diese schließt sich das Differenzial an, das wiederum die Position der Vorderachse festlegt.

Bislang kennzeichnete deshalb ein auffällig langer vorderer Überhang die Audi-Modelle oberhalb des A3; ihre stark frontlastige Gewichtsverteilung führte zu einem untersteuernden Fahrverhalten. Die Audi-Techniker verlegten deshalb das Differenzial vor die Kupplung und verschoben damit die Vorderachse um ganze 154 Millimeter nach vorn. Das bringt laut Audi ideal austarierte Achslasten. Das Auto soll dadurch neutral und handlich wie ein Hecktriebler fahren – Audi nennt es sogar die sportlichste Limousine der Mittelklasse. Es ist nicht schwer zu erraten, welchen Konkurrenten die Ingolstädter damit aufs Korn nehmen.

Fettsucht bekämpft

Die Gewichte sind also gut verteilt beim A4. Nun wollten die Ingenieure das Auto auch noch möglichst leicht machen. In der Version mit dem neu entwickelten 1,8-Liter-Turbobenziner (siehe Kasten) wiegt der Wagen 1 410 Kilogramm. Das sind zwar 30 Kilogramm mehr als beim Vorgänger, der war aber auch 16 Zentimeter kürzer. Die Fettsucht, unter der viele neue Autos leiden, hat Audi also erfolgreich bekämpft – jedenfalls, solange der Kunde seinen Wagen nicht mit Gewichtstreibern ausstattet wie dem Allradantrieb oder den vielen Elektromotoren, Steuergeräten und Kupferkabeln der Komfortelektronik.

An den Stellen der Karosserie, die besonders hohen Lasten ausgesetzt sind (z. B. Schweller oder B-Säulen), setzt der Autobauer so genannten warmumgeformten höchstfesten Stahl ein. Dieser ist schwer zu verarbeiten: Bei der Warmumformung erhitzt ein Ofen Einzelplatinen auf zirka 950 °C. Danach erhalten sie in gekühlten Werkzeugen ihre Form und werden gleichzeitig abgeschreckt. Durch die rasche Abkühlung bildet sich im Stahl ein Gefüge mit sehr hoher Zugfestigkeit. Sie liegt bei 1 650 Megapascal, d. h. ein einzelner Draht von einem Quadratmillimeter Querschnitt könnte fast 170 Kilogramm tragen. Bei gleicher Leistungsfähigkeit können Bauteile aus diesem Material leichter sein als solche aus herkömmlichen Stahlsorten.

Doch genug von solch gewichtigen Themen. Der neue A4 hat viel mehr zu bieten – zum Beispiel ausgeklügelte Systeme für aktive Sicherheit und Fahrerassistenz. Ein Helfer ist die radargestützte automatische Abstandsregelung Adaptive Cruise Control (ACC). Sie passt die vorgewählte Geschwindigkeit des Tempomaten an die Distanz zum vorausfahrenden Fahrzeug an. Das System arbeitet von 30 bis 200 km/h und reagiert auf Fahrzeuge, die bis zu 180 Meter entfernt sind.

ACC erhöht die Bequemlichkeit

Dadurch erhöht ACC vor allem die Bequemlichkeit für den Fahrer. Sicherer macht es die Fahrt erst, wenn es im Notfall auch bremst. Diese Funktion hat Audi im Gegensatz zu anderen Herstellern wie Mercedes-Benz oder Lexus noch nicht verwirklicht. Immerhin warnt das System den Fahrer vor einer drohenden Kollision. Dazu dienen zuerst ein Gong und ein Warnlicht. Reagiert der Fahrer darauf nicht, erzeugt ACC durch raschen Druckaufbau in der Bremse einen Warnruck. Audi belässt es vorerst bei diesem Signal. Wahrscheinlich fürchtet das Unternehmen, dass sich der Fahrer entmündigt fühlt, wenn sein Auto selbsttätig bremst.

Der Side Assist schließlich warnt den Audi-Fahrer vor gefährlichen Annäherungen von hinten. Zwei Radarsensoren im Heckstoßfänger beobachten den Raum neben und hinter dem Auto bis zu 50 Meter weit. Wenn sich ein Fahrzeug schnell von hinten nähert, leuchtet eine LED-Anzeige im Gehäuse des linken oder rechten Außenspiegels auf und warnt den Fahrer mit unterschiedlichen Lichtsignalen.

Ein dritter elektronischer Helfer komplettiert die Rundumversorgung des Fahrers. Der Lane Assist alarmiert den Fahrer, wenn er unbeabsichtigt seine Fahrspur verlässt. Eine Kamera oberhalb des Innenspiegels beobachtet die Straße vor dem Auto. Sie erkennt die Begrenzungslinien und löst den Alarm aus, wenn der Fahrer sie ohne zu blinken überfährt. Als Warnsignal vibriert das Lenkrad.

Auch wenn all diese Bequemlichkeits- und Sicherheitsfeatures an eine Luxuslimousine denken lassen: Audi wollte vor allem ein sportliches Auto bauen. Darum haben die Ingenieure viel Arbeit in die Antriebs- und Fahrwerkstechnik gesteckt. Ganz neu ist der 1,8-Liter-Benzinmotor mit Turbolader und Direkteinspritzung. Der Vierzylinder-Diesel verwendet neuerdings ein Common-Rail-System statt der bisherigen Pumpe-Düse-Einheit. Diese einzig von ihm verwendete Einspritzungstechnik gibt der Volkswagen-Konzern nämlich Schritt für Schritt auf.

Mit aktiver Lenkung

Neben den beiden Vierzylindern, die wahrscheinlich die meisten A4-Kunden kaufen werden, bietet Audi mehrere V6-Motoren als Otto und Diesel an, die schon aus anderen Baureihen bekannt sind. Zur Kraftübertragung kann der Kunde zwischen Handschalter, Stufenautomatik und der stufenlosen Multitronic wählen.

In der Fahrwerkstechnik sticht nicht nur die nach vorn verlagerte Vorderachse heraus. Audi hat auch das schwere Lenkgetriebe neu platziert. Es sitzt nun unterhalb der Vorderachse und nicht mehr, wie bislang, oberhalb des Getriebes. Dadurch soll die Lenkung spontaner ansprechen.

Und weil die Elektronik auch das Fahrwerk erobert, setzen die Ingolstädter elektronisch gesteuerte Dämpfer sowie eine Dynamiklenkung ein, die ihr Übersetzungsverhältnis je nach Fahrgeschwindigkeit ändert. Sie bietet ähnliche Funktionen wie die Aktivlenkung von BMW, ist aber anders aufgebaut. Ein so genanntes Harmonic-Drive-Getriebe, das bislang vor allem in Werkzeugmaschinen zum Einsatz kam, dient als Schnittstelle zwischen den Lenkbewegungen des Fahrers und denen des Elektromotors, der die Arbeit des Fahrers ergänzt.

Im Stadtverkehr oder auf kurvenreichen Straßen wirkt die Lenkung direkt, auf der Autobahn simuliert sie eine große Übersetzung und fördert den Geradeauslauf. Zudem arbeitet das System mit dem ESP zusammen und entschärft gefährliche Fahrsituationen durch ausgleichende Lenkbewegungen. Laut Audi kann sie diese Eingriffe dreimal so schnell ausführen wie das ESP, das erst Druck in der Bremse aufbauen muss.

Da hat sich Audi wohl einen alten Spruch aus der Rennszene zu eigen gemacht: „Wer bremst, verliert!“ Mit dem neuen A4 sollte das dem ehrgeizigen Premiumhersteller aber nicht passieren.

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