Automotive Business Days Datenschutz versus gesunder Menschenverstand – und andere Aufregerthemen

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Ist nun die Elektromobilität oder die Digitalisierung die größte Herausforderung für den automobilen Service? Darüber diskutierten Referenten und Teilnehmer angeregt auf dem Branchengipfel in Würzburg. Und dann war da noch die Sache mit Datenschutz.

Auf den Automotive Business Days in Würzburg trafen sich rund 500 Personen aus der Automobilbranche, um über die Zukunft ihres Gewerbes zu sprechen.
Auf den Automotive Business Days in Würzburg trafen sich rund 500 Personen aus der Automobilbranche, um über die Zukunft ihres Gewerbes zu sprechen.
(Bild: Stefan Bausewein)

Das peinlich genaue Beachten der Datenschutzgrundverordnung ist in den Autohäusern zum Alltag geworden. Nervig und zeitraubend ist das Thema aber nach wie vor: Hat Kunde X seine Einwilligungserklärung unterschrieben? Darf ich ihm nun tatsächlich Werbung schicken – oder nur die Rechnung? Und gilt eine HU-Erinnerung schon als Werbung, oder ist das nicht vielmehr eine sicherheitsrelevante Information?

Mit solchen Fragen beschäftigte sich im Rahmen der Automotive Business Days, die am 21. und 22. Juni in Würzburg stattfanden, der IT-Fachanwalt Chan-jo Jun. Der Jurist wurde bekannt durch aufsehenerregende Klagen, seinen Youtube-Kanal und viele Fernsehauftritte. Er riet den Zuhörern, die Anforderungen des Datenschutzes stets mit dem gesunden Menschenverstand abzugleichen. Denn Datenschutzbeauftragte hätten das Ziel, möglichst viel Datenschutz zu erzeugen – auch wenn das die Gesetzeslage gar nicht immer erfordere.

Automotive Business Days 2022 – Tag 2: Anpassung im Service
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So müsste beispielsweise gar nicht für jede Werbemaßnahme eine schriftliche Einwilligung des Kunden vorliegen, berichtete Jun. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb führt nämlich in Paragraf 7 auf: In Fällen, in denen ein Unternehmer vom Kunden die Mailadresse im Zusammenhang mit dem Kauf einer Ware erhalten habe, könne er Werbung für ähnliche Waren machen, ohne dass dies als „unzumutbare Belästigung“ gelte.

Zusätzlich verwies der Jurist auf das seit Anfang 2022 geltende „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“. Laut diesem Regelwerk steht der Autohändler dem Kunden gegenüber auch in der Haftung für die korrekte Funktion von Datendienstleistungen, die mit dem Auto verbunden sind – beispielsweise dem Vernetzungskonzept des Autoherstellers. Und abweichend zu anderen Warengruppen müssten Kunden in dem Fall, dass die Datendienstleistung nicht korrekt funktioniert und sie das Fahrzeug deswegen zurückgäben, keine Nutzungsentschädigung zahlen. Sie hätten Anspruch auf den vollen Kaufpreis.

Welchen Anteil die Händler an den Datendiensten der Hersteller haben

Mit diesem Thema schlug Jun eine thematische Brücke zu den Vorträgen von S. Patrick Eheim, Leiter Aftersales bei Porsche Deutschland, und Karl Hell, Direktor Aftersales bei Hyundai Deutschland. Die beiden Manager aus der Automobilbranche hatten in ihren Vorträgen unter anderem die Vernetzungskonzepte und die datengetriebenen Dienstleistungsangebote ihrer Marken thematisiert.

In einer Podiumsdiskussion stellten sich Eheim und Hell den Fragen von Michael Ziegler, Präsident des Verbands des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg, von Prof. Benedikt Maier, stellvertretender Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA), und denen des fachkundigen Publikums. Auch hier ging es um die datengetriebenen Dienstleistungen der Hersteller und darum, inwieweit Autohändler und Werkstätten daran partizipieren oder sogar eigene Angebote entwickeln können.

Save-the-Date: Automotive Business Days 2023

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Erfahren Sie bei den Automotive Business Days vom 20. bis 21. Juni 2023 alles über die neuesten Entwicklungen rund um Vertrieb, Service und Digitalisierung im Kfz-Gewerbe. Praxisbeispiele von Autohäusern und Werkstätten, aber auch aus dem Feld der Herstellerorganisationen zeigen Ihnen, wie sich die Branche auf die Trends von morgen einstellt und neue Konzepte umsetzt. Eine große Branchenausstellung rundet das Angebot ab.

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S. Patrick Eheim warnte davor, hier zu viel zu erwarten: „Die EU ist in Sachen Datenzugang für Dritte schon gut aufgestellt. Das Problem ist nicht, sämtlichen Marktteilnehmern die Daten der Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen, sondern die schiere Menge der Daten. Die Herausforderung ist die Aufbereitung dieser und die entsprechenden Ableitungen!“

Dies ist auch Michael Ziegler bewusst: „Nur eine große Autohausgruppe wird ein Geschäftsmodell im digitalen Umfeld auf die Beine stellen können, wenn überhaupt! Wir werden hier vielmehr einen Wettkampf zwischen den OEMs und Googles dieser Welt haben.“

Automotive Business Days 2022: Produkte für die Branche
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Noch viel schwerer haben es die freien Werkstätten – darauf wies Benedikt Maier hin: „Freie Werkstätten haben beim Thema Digitalisierung/Nutzung digitaler Daten Nachteile gegenüber Markenpartnern. Es ist aber oberstes Gebot, dass jeder Zugang zu den Daten hat!“

Karl Hell rechnet hingegen gar nicht damit, dass hierzulande noch neue, erfolgversprechende digitale Geschäftsmodelle entstehen: „In Sachen Daten werden wir in Deutschland keine großen Erfindungen mehr haben. Diese erfolgen anderswo!“

Nicht mit der Digitalisierung anfangen, sondern mit der Standardisierung

Michael Ziegler gab in der Podiumsdiskussion zudem seiner Befürchtung Ausdruck, dass die Autohersteller nach dem Neuwagenvertrieb auch andere Geschäftssegmente des Autohandels selbst kontrollieren wollen: „Fahrzeughersteller habe auch immer öfter die Hand auf dem Gebrauchtwagengeschäft. Wir sind zwar Mitspieler, aber es wird immer schwieriger, auch Mitgestalter zu sein. Die Betriebe werden sich künftig nur noch im Gebrauchtwagengeschäft und im Service behaupten können.“

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Das Serviceprogramm auf den Automotive Business Days beinhaltete außerdem die Themenkomplexe „Digitaler Service“ und „Elektromobilität“. Christian Braje von der Autohausgruppe Beresa etwa gab den Zuhörern wichtige Tipps, wie sie ein Digitalisierungsprojekt anpacken sollten: „Wenn Sie einen Prozess digitalisieren wollen, dann fangen Sie nicht gleich mit der Digitalisierung an. Fangen Sie mit der Standardisierung an!“ Denn nur ein standardisierter Prozess lasse sich auch erfolgversprechend digital abbilden.

Axel Schulze Höckelmann von der Bleker-Gruppe erinnerte in seinem Referat daran, dass längst noch nicht alle Kunden – und hier vor allem die Privatkunden – digitale Kommunikationswege bevorzugen würden. „Wir bieten natürlich alle Kommunikationskanäle an, aber der Kunde soll entscheiden, welchen er nutzt. Bei uns beträgt die Digitalquote noch unter zehn Prozent. Die meisten Kunden bevorzugen den engen persönlichen Kontakt.“

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