Europäische Neuzulassungen gehen wieder auf Talfahrt
Nach einer Stabilisierung im Juli hat sich die Neuwagennachfrage im August wieder deutlich eingetrübt. Zunehmend wird deutlich, dass die Konsumenten bisher aufgeschobene Autokäufer derzeit eher nicht nachholen wollen. Der Autobranche droht „ein ganz harter Winter“.

Der europäische Automarkt hat sich in den Sommermonaten Juli und August wieder etwas stabilisiert – er profitierte dabei aber vor allem im Juli von Nachholeffekten aus der Lockdown-Phase. Nach Angaben des Herstellerverbands Acea sanken die Neuzulassungen in den Ländern der EU, der Efta und in Großbritannien im Juli um nur 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Im August verschärfte sich der Rückgang mit einem Minus von 17,6 Prozent jedoch wieder. Allerdings war der August 2019 geprägt von vielen vorgezogenen Zulassungen im Zug verschärfter WLTP-Bestimmungen.
Im Juli kamen demnach 1,28 Millionen Neufahrzeuge auf Europas Straßen. Im August waren es dann nur 884.000 Einheiten. Angesichts der starken Rückgänge in den Monaten März bis Mai ist der Neuwagenmarkt des Kontinents nach acht Monaten um 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat geschrumpft. Von Januar bis Ende August kamen laut Acea noch 6,12 Millionen Pkw neu auf die Straßen.
Auch der Verband der Automobilindustrie macht auf den statistischen Sondereffekt im August 2019 aufmerksam. Er erinnert daran, dass damals besonders viele Wagen zugelassen worden waren, die wegen der Einführung weiterer neuer Regeln des Abgas- und Verbrauchstestverfahrens WLTP danach nicht mehr hätten zugelassen werden dürfen. Laut den Marktbeobachtern von EY hätten zudem noch Sondereffekte wie Werksferien und eine in einigen Märkten geringere Zahl von Arbeitstagen die Statistik beeinflusst.
Erwartete Nachholeffekte bleiben aus
Trotzdem will EY die Lage auf dem europäischen Automarkt nicht schönreden. Jene Faktoren, die den Neuwagenmarkt stützen könnten, scheinen an Bedeutung zu verlieren, vermutet EY-Autoexperte Peter Fuß. „Die Nachholeffekte fallen relativ schwach aus – es müssten sich eigentlich mehr aufgeschobene Neuwagenkäufe aufgestaut haben.“ Speziell in Deutschland habe die gesenkte Mehrwertsteuer nur einen überschaubaren Effekt auf die Neuwagen-Nachfrage – ebenso wie die hohen Rabatte einiger Hersteller.
Angesichts des derzeit starken Anstiegs der Infektionszahlen in vielen europäischen Ländern rechnet Fuß mit erneuten spürbaren Beeinträchtigungen des Wirtschaftslebens in den kommenden Monaten. Eine Normalisierung der Absatzzahlen sei derzeit nicht in Sicht. „Die Autobranche muss sich auf einen schwachen Herbst und einen ganz harten Winter einstellen, bevor es voraussichtlich im kommenden Frühjahr wieder aufwärts gehen kann“, erwartet Fuß. Einen erneuten großflächigen Lockdown hält er gleichwohl für unwahrscheinlich.
Im Jahresverlauf zeigen sich die großen europäischen Absatzmärkte allesamt schwach. Mit einem Minus von 28,8 Prozent hat sich Deutschland noch am besten gehalten, gefolgt von Frankreich (-32,0 %). Die Händler in Italien (-38,9 %), Großbritannien (-39,7 %) und Spanien (-40,6 %) müssen dagegen mit Einbrüchen von rund 40 Prozent kämpfen. Dafür scheinen sie derzeit aus der Krise zu finden. Im August verbuchten Italien (-0,4 %), Großbritannien (-5,8 %) und Spanien (-10,1 %) deutlich unterdurchschnittliche Marktrückgänge.
Insgesamt scheint die Entwicklung zudem in den Ländern Westeuropas etwas besser zu laufen (-16,6 %) als in der östlichen EU (-32,3 %). Die drei Efta-Staaten melden einen Rückgang um 14,5 Prozent.
Weltweit spürbare Verunsicherung
Auch weltweit hinterlässt die Corona-Krise weiterhin ihre Spuren. In den USA gaben die Verkäufe von Pkw und Light Trucks im August um 19 Prozent auf 1,33 Millionen Einheiten gegenüber dem Vorjahresmonat nach. Japan verzeichnete einen Rückgang um 13 Prozent auf 270.000 Fahrzeuge. Der brasilianische Light-Vehicle-Markt schrumpfte sogar um ein Viertel auf 173.800 Einheiten.
Aufwärts ging es dagegen in den großen asiatischen Ländern. Der chinesische Pkw-Markt wuchs im August zum vierten Mal in Folge und kletterte um 6 Prozent auf gut 1,7 Millionen Fahrzeuge. In Indien wiesen die Statistiken mit 215.000 Neuwagen einen Anstieg um 14 Prozent auf. Darin steckt laut dem VDA allerdings auch eine über Monate angestaute Nachfrage.
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