Reklamation Gewerbekunde muss Rolls Royce mit falschen Sitzen behalten
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Wer sich ein Fahrzeug als Firmenwagen bestellt, muss bei der Warenübergabe kontrollieren, ob das gewünschte Feature wirklich verbaut ist. Fällt der Mangel zu einem späteren Zeitpunkt auf, ist eine Rückabwicklung nicht mehr möglich.

Bei einem gewerblichen Autokauf besteht für den Käufer eine umgehende Untersuchungspflicht für die gelieferte Ware. Unterlässt der Erwerber die direkte Kontrolle der Handelsware, kann er sich nicht zu einem späteren Zeitpunkt über fehlende Eigenschaften der Ware beschweren und eine Rückabwicklung fordern.
Im gewerblichen Warenverkauf gelten andere Regeln als im Autohandel mit Privatkunden. Insbesondere hat der gewerbliche Käufer eine Untersuchungs- und Rügeplicht gemäß § 377 Handelsgesetzbuch (HGB). Wie aus einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 25. Mai 2020 hervorgeht, muss ein gewerblicher Käufer die gelieferte Ware umgehend auf Vollständigkeit und auf die gewünschte Funktionsfähigkeit untersuchen. Rügt der Käufer gegenüber dem Händler nicht rechtzeitig, so verliert er unter Umständen seine Ansprüche (AZ: 7 U 5611/19).
Im vorliegenden Fall drehte sich der Rechtsstreit um den Kauf eines neuen Rolls-Royce zum Kaufpreis von 314.647,90 Euro. Diesen hatte der Kläger am 15.09.2016 bestellt. Bei der beklagten Gegenseite handelte es sich um einen Rolls-Royce-Händler. Der Bestellung war eine Anlage beigefügt mit dem Hinweis, dass der Pkw mit „Front Massage Seats“ ausgestattet wäre. Der Händler bestätigte am 26.09.2016 die Bestellung. Die Übergabe des Pkw an die Klägerin fand am 03.02.2017 statt. Aus der Betriebsanleitung ergab sich, dass der Pkw über „Aktivsitze“ verfüge. Beschrieben werden diese damit, dass eine aktive Veränderung der Sitzfläche helfe, Verspannungen und Ermüdungserscheinungen der Muskulatur und dadurch Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich zu vermeiden.
Der Kläger nutzte das streitgegenständliche Fahrzeug zunächst selbst für kürzere Fahrten und engagierte sodann für längere Fahrten einen Fahrer. Als der Kläger im Sommer 2018 wieder selbst eine längere Fahrt durchführte, wollte er die Massagesitzfunktion aktivieren. Daraufhin teilte er dem Händler mit Schreiben vom 20.08.2018 mit, er könne keine Massagewirkung wahrnehmen. Aufgrund dessen wurde im September 2018 die Sitzeinheit ausgetauscht. Nachdem der Geschäftsführer weiterhin monierte und immer noch keine Massagewirkung feststellen konnte, erwiderte die Beklagte, dass Fahrzeug verfüge über „Aktivsitze“, nicht aber über Massagesitze. Sie verstärkte allerdings im Zeitraum vom 24.09.2018 bis 28.09.2018 die Sitzunterkonstruktion und erhöhte den Aufblasdruck.
Dennoch erklärte der Kläger am 12.10.2018 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Händler zur Rücknahme des Pkw auf, was dieser aber ablehnte. Vor Gericht begehrte der Kläger in der Folge die Rückabwicklung des Kaufs. Das LG München I (Urteil vom 30.08.2019, AZ: 22 O 1189/19) wies die Klage ab. Das OLG München als Berufungsinstanz bestätigte die Entscheidung.
Der Senat stellte hier unter anderem auf die Untersuchungspflicht des gewerblichen Käufers gemäß § 377 HGB ab. § 377 HGB lautet:
- 1. Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.
- 2. Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.
- 3. Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
- 4. Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige.
- 5. Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen.
Diese Regelung gelte auch für Neuwagen. Dass der Händler vor der Übergabe des Fahrzeugs eine „Übergabedurchsicht“ durchgeführt habe, ändere nichts daran, dass die Klägerin einer entsprechenden Untersuchungspflicht gemäß § 377 HGB unterliege. Insbesondere könne aus der Übergabedurchsicht kein Verzicht des Händlers auf die Untersuchungspflicht des Käufers aus § 377 Abs. 1 HGB gesehen werden.
Auch die vom Händler unternommenen Reparaturversuche würden an dem Befund nichts ändern, letztendlich liege kein Sachmangel vor, wobei im Übrigen die Mängelrüge nicht rechtzeitig erhoben worden wäre. In der Praxis sollte also der Kfz-Händler im Streifall immer auch an die Möglichkeit der versäumten Rügepflicht denken, um sich gegen Ansprüche eines Kunden zur Wehr zu setzen.
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