Gutachten: Tesla-Modelle dürften in Europa nicht zugelassen werden

Von Christoph Seyerlein

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Teslas Erfolg fußt in den Augen einiger Marktbeobachter nicht nur auf dem Elektroantrieb, sondern gerade auch auf einem Vorsprung gegenüber der Konkurrenz bei der Digitalisierung. Ein Gutachten übt nun allerdings heftige Kritik an den Daten-Praktiken der Kalifornier.

Tesla steht in der Kritik von Datenschützern.
Tesla steht in der Kritik von Datenschützern.
(Bild: Seyerlein/»kfz-betrieb«)

Nicht nur in Sachen Elektroantrieb gilt Tesla in der Autobranche als Vorreiter. Viele sehen in den Kaliforniern auch Digital-Pioniere. Beispielsweise hatten zuletzt Volkswagen-Chef Herbert Diess und Audi-CEO Markus Duesmann angekündigt, in dem Bereich schnell Boden auf Elon Musk und Co. gutmachen zu wollen. Ziel dürfte es unter anderem sein, dass Tesla der Industrie nicht auch beim autonomen Fahren davoneilt.

Ein Gutachten des Netzwerks Datenschutzexpertise unter der Leitung des ehemaligen Datenschutzbeauftragten Schleswig-Holsteins, Thilo Weichert, stellt nun allerdings infrage, ob man Tesla dabei wirklich nacheifern sollte. Auf insgesamt 37 Seiten arbeitet der Experte zahlreiche angebliche Verstöße des US-Autobauers gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) heraus. Das Fazit fällt vernichtend aus: Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass Tesla-Modelle deshalb eigentlich nicht auf europäischen Straßen zugelassen werden dürften.

Tesla-Fahrzeuge seien „dauernd aktive Datenschleudern mit Langzeitgedächtnis“

Tesla selbst habe auf Nachfrage erklärt, alle Vorgaben einzuhalten, schreiben die Herausgeber. Das Unternehmen habe das an vielen Stellen aber nicht ausreichend darstellen können, so die Kritik. So gebe der Hersteller beispielsweise nicht einmal an, auf welcher Rechtsgrundlage es personenbezogene Daten verarbeite und verstoße damit gegen Artikel 5 der DSGVO. Tesla-Fahrzeuge seien „dauernd aktive Datenschleudern mit Langzeitgedächtnis“.

Besonders ausführlich beschreibt Weichert die potenziellen Verstöße an den Kamerasystemen, die Tesla in seinen Autos verbaut hat. Als Grundlage für seine Autopilot-Technik setzt der Hersteller im Model 3 auf acht Kameras mit 360-Grad-Rundumüberwachung der Fahrzeugumgebung in bis zu 250 Meter Entfernung. Ergänzt werden diese durch Ultraschall- und Radarsensoren. Diese fungierten darüber hinaus aber auch als Dashcams und ließen sich aber nicht nur bei Unfällen nutzen, kritisiert das Gutachten. Über die USB-Schnittstelle könnten die Daten der Kameras ausgelesen und ausgewertet werden. Personen oder auch Kfz-Nummernschilder seien darüber eindeutig zu erkennen.

Ist der „Wächter-Modus“ ein Überwachungs-Tool?

Seit 2019 bietet Tesla zudem den „Sentry Mode“ („Wächter-Modus“) an. Diesen können Fahrer aktivieren, wenn sie ihr Auto abstellen. Der Hersteller verspricht dadurch beispielsweise bessere Aufklärung bei Vandalismus-Fällen. Weichert hält dagegen, das Feature erfasse dauerhaft die Umgebung und verstoße damit gegen geltendes Recht. Zudem informiere Tesla Betroffene nicht angemessen über ihre Rechte. Der Experte bemängelt darüber hinaus, dass der Hersteller Daten in die USA sowie eventuell weitere Drittstaaten ohne angemessenen Schutz übermittle.

Im Gutachten fordert das Netzwerk Datenschutz nach einigen weiteren Beanstandungen den Hersteller auf, die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Aber auch die Behörden sehen die Autoren in der Pflicht. Am Zug sehen sie das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht in Ansbach, da Tesla seine Deutschland-Zentrale in München habe. Dessen Präsident Michael Will erklärte gegenüber dem Fachmedium „Heise“ wiederum, dass sich die Behörde bei einer möglichen Untersuchung als Verfahrensbeteiligte von niederländischen Instanzen sehe, da sich die europäische Tesla-Zentrale in Amsterdam befindet. Zuletzt hatten die Bayerischen Datenschützer aber zumindest angekündigt, den Wächter-Modus genauer unter die Lupe nehmen zu wollen. Wegen der Corona-Pandemie sei es bislang aber noch nicht möglich gewesen, ein Tesla-Modell zu untersuchen, erklärte Will gegenüber dem Medium.

Autoren: Auch Angebote anderer Hersteller sollten hinterfragt werden

In seinem Fazit schreibt Thilo Weichert, dass „angesichts der hervorgehobenen Marktposition von Tesla bei der Kfz-Digitalisierung“ eine detaillierte Hinterfragung der Praktiken der Kalifornier „besonders dringend“ nötig sei. Weiter heißt es in dem Gutachten: „Dies darf und soll aber nicht davon abhalten, auch die Angebote der anderen Marktteilnehmer zu hinterfragen.“

Zudem merkten die Autoren an, dass sie nichts gegen Assistenzsysteme und halbautomatisiertes Fahren hätten. „Unabdingbar ist aber, dass den eingesetzten Systemen von allen Beteiligten Vertrauen entgegengebracht werden kann. Vertrauen ist nur bei größtmöglicher Transparenz und bei fairem Vorgehen möglich. Davon kann derzeit bei Tesla und bei der Kfz-Automation generell (noch) keine Rede sein“, kritisiert das Gutachten.

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