GVA-Kongress: Kampf um Gleichberechtigung beim Zugriff auf technische Daten
Neue Telematikservices und Echtzeit-Datenauslese im Fahrzeug gefährden die Wettbewerbsfähigkeit des freien Reparaturmarktes, wenn kein gleichberechtigter Datenzugriff ermöglicht wird. Der Zugang zu technischen Informationen bestimmt wieder einmal die Agenda des GVA.
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Die Brennpunktthemen Digitalisierung und Vernetzung bestimmten ein weiteres Mal die Tagesordnung des diesjährigen Kongresses des Gesamtverbandes Autoteile-Handel (GVA). „Wir setzen uns in Berlin und Brüssel dafür ein, dass die für die Vernetzung relevanten Schnittstellen im Fahrzeug frei zugänglich, interoperabel, sicher und standardisiert gestaltet werden, damit unabhängige Entwickler und Hersteller eigene innovative Produkte anbieten können. Nur so behält der Autofahrer im Digitalzeitalter die Wahlmöglichkeit, wo und mit welchen Teilen er sein Fahrzeug reparieren lässt“, unterstrich GVA-Präsident Hartmut Röhl zu Beginn der Tagung am Mittwoch in Hannover.
Die Fronten sind klar: Die Automobilhersteller wollen die E-Call-Technologie, die ab 2018 verpflichtend für alle Neufahrzeuge vorgeschrieben ist, als Basis für vielfältige digitale Zusatzdienste nutzen und über die elektronische Schnittstelle zum Auto Kunden enger an sich binden. Bei neueren Fahrzeugen tun sie das bereits intensiv – wie BMW mit „Connected Drive“.
Das Problem für den freien Markt: Der Datenfluss zwischen Auto und Herstellerserver ermöglicht es der Industrie nicht nur, völlig neue Geschäftsmodelle an die Kunden heranzutragen. Weil alle statischen und dynamischen Daten, die aus dem Auto ausgelesen werden, an den Hersteller gehen, hat dieser einen exklusiven Zugang zum Kunden. Und wird so potenziell in die Lage versetzt, individuelle und zeitlich genau passende Serviceangebote ins Auto zu senden. Geschieht das, ohne dass der freie Reparaturmarkt gleichberechtigten Zugang zu den Daten und Telematiksystemen in den Fahrzeugen erhält, ist das aus Sicht des GVA und der europäischen Dach-Organisation Figiefa eine massive Wettbewerbsverzerrung, die es zu verhindern gilt.
Figiefa-Generalsekretärin Sylvia Gotzen war eigens nach Hannover gekommen, um den Kongressteilnehmern den aktuellen politischen Stand darzulegen. „Wer die Daten hat, hat die Macht“, stellte sie knapp fest und beantwortete die Frage, ob es eine Gesetzgebung braucht, um den Datenzugang in Zukunft gesetzlich zu regeln, mit einem klaren „Ja“. Zu groß sei die Gefahr, dass die Automobilhersteller Telematik und digitale Services nutzen, um sich zum Beispiel im Service Monopole aufzubauen.
Vergifteter Kompromiss?
Aus diesem Grund sei auch das von der Automobilindustrie vorgeschlagene Konzept „Extended Vehicle“, für das derzeit bei der EU-Kommission geworben werde, mit Vorsicht zu genießen. Extended Vehicle steht für einen auf einen externen Server ausgelagerten Datenklon eines Fahrzeugs. Von diesem, so der Vorschlag der Hersteller, könnte sich der freie Markt die Daten ziehen, die er benötigt, um Kunden seinerseits digitalisierte Dienste und Services anzubieten.
Was sich zunächst wie ein guter Kompromiss anhört, ist nach Meinung von Sylvia Gotzen und anderer Vertreter des freien Reparaturmarktes jedoch mit äußerster Vorsicht zu genießen. „Welche Daten in welcher Quantität und Qualität wann für den freien Reparaturmarkt verfügbar gemacht werden, entscheidet beim Konzept 'Extended Vehicle' allein der jeweilige Automobilhersteller“, mahnte Gotzen. Mit anderen Worten: Der Hauptwettbewerber bestimmt, wann der freie Markt welche Daten wann nutzen könne, um seine Geschäftsmodelle umzusetzen. Nicht nur für Sylvia Gotzen eine untragbare Vorstellung.
Ihr Gegenvorschlag: Extended Vehicle könne nur der erste Schritt sein. Ziel – am besten gesetzlich verankert – müsse eine „Open Telematics Plattform“ sein, die allen Marktbeteiligten zur gleichen Zeit die gleichen Zugriffrechte auf alle Datenströme aus den Fahrzeugen ermöglicht. Dabei appellierten Sylvia Gotzen und Hartmut Röhl noch einmal eindringlich an alle GVA-Mitglieder, diese Linie gemeinsamen für die anstehenden Verhandlungen in Brüssel zu unterstützen. Der Appell richtete sich vor allem an die ebenfalls in Hannover anwesenden Vertreter der Teileindustrie. Die, so wurde hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, hätten sich von der Automobilindustrie auf das Thema Extended Vehicle festnageln lassen. Zudem hätten die Zulieferer in einem gemeinsamen Papier mit dem VDA auch zugestimmt, dass die Möglichkeiten, Daten über die OBD-Schnittstelle mittels so genannter Dongles auszulesen und diese für digitale Services zu nutzen, schrittweise zurückgefahren werden.
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