Kaufprämie für Verbrenner ist weiter „nicht mehrheitsfähig“
Weitere direkte Anreize zum Fahrzeug-Neukauf wird es vorerst nicht geben. Politik und Branchenvertreter einigten sich auf dem Autogipfel vor allem auf Maßnahmen, die den Strukturwandel in der Branche beschleunigen sollen. Konkrete Ergebnisse fehlen allerdings.

Schnelleres Internet im Auto, eine deutsche Vorreiterrolle beim autonomen Fahren und kundenfreundlicheres Laden von E-Fahrzeugen – das sind die Kernziele, auf die sich die am Dienstagabend tagende Runde des „Autogipfels“ verständigt hat. Das Ziel: Unterstützung für die angeschlagene Automobilbranche. Konkrete Beschlüsse gab es bei den Beratungen kaum. Dafür wurden Prüfaufträge formuliert und etliche Fragen auf die nächsten Gespräche im November geschoben.
Mit dem Ergebnis des Autogipfels rücken direkte Absatzhilfen in Form von Kaufzuschüssen für neue Verbrenner-Fahrzeuge zunächst einmal in weite Ferne. Im Interview mit dem „Heute Journal“ verdeutlichte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, dass eine derartige Hilfe aktuell nicht mehrheitsfähig sei. „In der derzeitigen Situation ist es jedoch entscheidend, dass wir gemeinsam zu Ergebnissen kommen.“ Eine endgültige Absage der Kanzlerin habe es aber nicht gegeben.
Altmaier zeigte Verständnis für die ablehnende Position zu einer Verbrenner-Prämie, da vor allem die junge Generation Sorge habe, dass eine Prämie den notwendigen Wandel verzögern könnte. Gleichwohl müsse man sich die Entwicklung der nächsten Wochen ansehen. „Denn wenn wir erkennen, dass der Hochlauf der E-Mobilität sehr langsam vonstatten geht, müssen wir nochmals überlegen, wie wir die Automobilbranche in einer längeren Übergangsphase konkret unterstützen können“, sagte der Minister ohne eine Ausweitung der Prämienzahlung konkret zu nennen.
Die angeschlagene Autobranche kann aber schon jetzt auf Hilfen für den Strukturwandel hoffen. Die Politik setzt auf indirekte Unterstützung und Maßnahmen, die den schwierigen Wandel in der deutschen Schlüsselindustrie voranbringen sollen.
Mit Blick auf die akuten Verkaufseinbrüche, die besonders Zulieferer unter Druck bringen, soll eine Arbeitsgruppe untersuchen, ob und wie ein „marktwirtschaftliches Konzept“ entwickelt werden könnte. Es geht um eine Stärkung des Eigenkapitals betroffener Firmen. Zum anderen soll laut dem Ergebnispapier geprüft werden, welche weiteren Aspekte bei den im Konjunkturpaket der Bundesregierung vorgesehenen „Zukunftsinvestitionen“ in die Branche berücksichtigt werden sollten.
Reaktionen der Verbände
Der Autoverband VDA hat den Autogipfel in einer Reaktion am Dienstagabend als „gutes und konstruktives Treffen“ bezeichnet. Die Politik sei sich der angespannten Lage bewusst. Die Maßnahmen des Konjunkturpakets müssten deswegen schnell und energisch umgesetzt werden, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Sie erinnerte zudem daran, dass die Situation bei den Nutzfahrzeugen „ebenfalls sehr schwierig ist“.
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) machte darauf aufmerksam, dass auch das mittelständisch geprägte Kraftfahrzeuggewerbe Unterstützung benötigt. „Die Krise treffe das mittelständisch geprägte Kraftfahrzeuggewerbe zudem in der Phase der Transformation hin zu alternativen Antrieben und sich verändernden Mobilitätskonzepten. Karpinski: „Es ist für unsere gesamte Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, dass die Kfz-Betriebe bei diesem Wandel strukturelle Hilfen erhalten, etwa bezogen auf betriebliche Investitionen rund um die Elektromobilität“, sagte ZDK-Präsident Jürgen Karpinski.
Hindernisse des autonomen Fahrens ausräumen
Die Videokonferenz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesministern und Vertretern von Autoherstellern sowie Gewerkschaften und Ministerpräsidenten aus „Autoländern“ befasste sich aber vor allem mit der Digitalisierung im Verkehr. So soll Deutschland eine „Führungsrolle beim autonomen Fahren“ einnehmen. Ein entsprechendes Gesetz wird vorbereitet – Deutschland wolle damit „das erste Land weltweit sein, das fahrerlose Kraftfahrzeuge im Regelbetrieb sowie im gesamten nationalen Geltungsbereich erlaubt“. Bis 2022 sollen Autos mit autonomen Fahrfunktionen im Regelbetrieb unterwegs sein.
Zudem soll ein „Datenraum Mobilität“ geschaffen werden. Hier geht es um Infrastrukturen und Kooperationen zum schnellen und sicheren Austausch der riesigen Informationsmengen, die zunehmende Vernetzung und auch das autonome Fahren mit sich bringen. Es laufen bereits Vorbereitungen zwischen europäischen Staaten und der Industrie. Bis zum Jahresende sollen in Deutschland „Vereinbarungen zwischen den Anbietern von Mobilität erreicht werden“. Die Branche wolle dazu im Rahmen der Vertragsfreiheit Mobilitätsdaten bereitstellen.
Beim Aufbau eines Ladenetzes für Elektroautos sollen Wirtschafts- und Verkehrsminister mit der Energiewirtschaft zu einem zweiten Spitzengespräch zusammenkommen. Dabei sollen konkrete Vereinbarungen über ein einheitliches Bezahlsystem und eine kundenfreundliche Nutzung von Ladesäulen erreicht werden. Verbände wie der ADAC beklagen, dass an öffentlichen Ladesäulen bisher sehr unterschiedliche Preismodelle zum Einsatz kommen.
Politik ist zwiegespalten
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sieht die Ergebnisse des Autogipfels skeptisch. „Die ganz unmittelbar anstehenden Herausforderungen sind weiter offen“, sagte der SPD-Politiker. Vor allem Zulieferer meldeten anhaltende Absatzeinbrüche infolge der Corona-Krise. Es seien zwar zentrale Punkte besprochen worden. Die Probleme blieben aber vielerorts akut. Betriebe müssten nicht nur die Transformation zu Digitalisierung und Elektrifizierung bewältigen, sondern auch mit stark zurückgehenden Verkaufszahlen kämpfen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht die Ergebnisse des „Autogipfels“ dagegen positiv. Es habe großes Einvernehmen geherrscht, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und neue Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen. Vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen werde es darum gehen, ihre Liquidität zu sichern. Die Prüfung eines marktwirtschaftliches Konzept zur Stärkung des begrüße er daher.
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