Mercedes-Benz: 40 Jahre ABS

Autor Steffen Dominsky

„Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“ lautete einst ein bekannter Werbespruch. Bei Daimler hieß von 1978 an analog: „Wer wird denn gleich blockieren?“ Schließlich brachte man mit dem ersten digital-elektronischen Antiblockiersystem eine echte Weltneuheit auf den Markt.

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Vor 40 Jahre brachte Mercedes-Benz zusammen mit Bosch das digital-elektronische ABS in Serie.
Vor 40 Jahre brachte Mercedes-Benz zusammen mit Bosch das digital-elektronische ABS in Serie.
(Bild: Daimler AG)

Volle Kontrolle: Selbst bei einer Vollbremsung das Auto lenkfähig halten, da die Räder nicht blockieren. Genau das ermöglicht das bekannte Anti-Blockier-System (ABS). Mercedes-Benz und sein Entwicklungspartner Bosch präsentierten diese Weltneuheit vom 22. bis 25. August 1978 auf der Einfahrbahn des Daimler-Benz-Werks Untertürkheim. Das ABS war auch deshalb eine Sensation, weil mit ihm die Digitaltechnik Einzug ins Automobil hielt. Und es war die Erfindung des ersten „echten“ elektronischen Fahrerassistenzsystems.

Mercedes-Benz erklärte die Funktion des Systems vor 40 Jahren in einer Broschüre so: „Das Anti-Blockier-System überwacht durch einen Computer die Drehzahländerung des einzelnen Rades beim Bremsvorgang. Fällt die Drehzahl zu schnell ab (zum Beispiel beim Bremsen auf glattem Untergrund) und das Rad droht zu blockieren, vermindert der Computer automatisch den Bremsdruck. Das Rad beschleunigt wieder, der Bremsdruck wird wieder erhöht und damit das Rad abgebremst. Dieser Vorgang wiederholt sich in Sekunden mehrmals.“

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Ab Ende 1978 feierte das ABS in der Mercedes-Benz S-Klasse der Baureihe 116 als Sonderausstattung Premiere. Der Mehrpreis betrug damals 2.217,60 DM. Zwei Jahre später war es in sämtlichen Personenwagen der Stuttgarter Marke auf Wunsch erhältlich. 1981 stellte Mercedes-Benz das Anti-Blockier-System für Nutzfahrzeuge vor. Und ab Oktober 1992 war das ABS in allen Personenwagenmodellen der Marke mit dem Stern Serienausstattung. Heute ist das Assistenzsystem in Autos so gut wie aller Hersteller weltweit eine Selbstverständlichkeit.

Sternstunde in einer Innovationsgeschichte

Doch die Geschichte des Anti-Blockier-Systems reicht zurück bis in die Fünfzigerjahre. 1953 meldete Hans Scherenberg, damals Konstruktionschef von Mercedes-Benz, ein Patent zur Verhinderung des Blockierens von Fahrzeugrädern beim Bremsen an. Ähnliche Lösungen gab es zwar schon in der Luftfahrt (Anti-Skid) und bei der Eisenbahn (Knorr-Gleitschutz). Doch das Automobil ist ein sehr komplexes System, das besonders hohe Anforderungen an die Sensorik, Signalverarbeitung und Steuerung stellt. Beispielsweise müssen die Komponenten die Drehverzögerungen und die Beschleunigung der Räder auch bei Kurvenfahrt, Bodenunebenheiten und starker Verschmutzung fehlerfrei registrieren.

Ein intensiver, kontinuierlicher Wissensaustausch von konzerneigener Forschung und Entwicklung mit Industriepartnern führte schließlich zum Erfolg: 1963 begann in der Vorentwicklung der damaligen Daimler-Benz AG die konkrete Arbeit an einem elektronisch-hydraulischen Bremsregelsystem. Ab 1966 kooperierte das Unternehmen dazu mit dem Heidelberger Elektronikspezialisten Teldix (Telefunken/Bendix), der später von Bosch übernommen wurde. Das Ergebnis hatte 1970 Premiere: Hans Scherenberg, mittlerweile Entwicklungschef von Daimler-Benz, stellte das analog-elektronische „Mercedes-Benz/Teldix Anti-Bloc-System“ den Medien auf der Einfahrbahn in Untertürkheim vor.

Auch andere Hersteller tüftelten zu dieser Zeit an einem Antiblockiersystem oder hatten es mit einer elektronischen Steuerung – z. B. Chrysler, Nissan und Toyota – bereits in Serienfahrzeuge verbaut. Doch die Daimler- und Bosch-Ingenieure hatten erkannt, dass eine digitale Steuerung der richtige Weg für ein großserienfähiges ABS war – zuverlässiger, weniger komplex und zugleich viel leistungsfähiger als die analoge Elektronik. So entwickelten sie gemeinsam das ABS der zweiten Generation als digitale Lösung – von Bosch kam dabei das digitale Steuergerät. Der Ingenieur Jürgen Paul, Leiter des ABS-Projekts bei Mercedes-Benz, bezeichnete die Entscheidung für die digitale Mikroelektronik später als den Durchbruchmoment in der ABS-Entwicklung.

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