Passen die Dealer-Management-Systeme?
„Decken die Dealer-Management-Systeme die Prozessanforderungen im Autohaus ab?“ Unter dieser Überschrift stand das dritte IT-Expertenmeeting, zu dem »kfz-betrieb« im Juni 2007 eingeladen hatte.
Anbieter zum Thema
Anbieter von Dealer-Management-Systemen diskutierten im Würzburger Verlagshaus mit Händlern, ob die angebotenen Programme für den Automobilhandel passen und wo die Knackpunkte liegen.
Die Kritik der Softwareanbieter: Der Handel setze sich nicht genügend mit dem Thema IT auseinander und stelle mitunter unrealistische Erwartungen an ein DMS. Der Handel wiederum bemängelt, dass DMS-Anbieter ihre Versprechungen oftmals nicht halten würden und die Ausgaben für die IT zu hoch seien.
Martin Graf, Sales Manager des finnischen Softwarehauses Automaster, bringt die verzwickte Situation auf den Punkt: „Die deutschen Händler sind misstrauisch gegenüber DMS-Anbietern. Letztere haben in der Vergangenheit viel verbrannte Erde hinterlassen.“
Jürgen Hasselbring, Key-Account-Manager Großkunden beim Softwareanbieter ASP Automotive, bestätigt: „Wir bekommen die Verunsicherung des Handels zu spüren.“ Wichtig sei es deshalb, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und dem Handel zu vermitteln, dass man auf seiner und nicht auf der Herstellerseite stehe.
Durch IT gehemmt
„Die Hersteller drängen den Autohäusern oftmals Dinge auf, die zu der Prozessorganisation eines Autohauses völlig konträr sind“, betont Norbert Zeranski, Prokurist und Leiter Organisation und Datenverarbeitung beim Mehrmarkenautohaus Dello. Wenn die Hersteller Schnittstellen nicht freigeben würden, lähme dass die Händler. Zeranski vermisst den integralen Ansatz bei DMS.
Karsten Prohl, IT-Verantwortlicher im Mercedes-Benz-Autohaus Recker, Harsewinkel, legt den Finger in die Wunde: „Wir sind im Tagesgeschäft oftmals durch unsere IT gehemmt.“ Sylke Ruppert, die das Controlling im Mercedes-Benz-Autohaus Sibbing in Gescher verantwortet, stimmt dem zu: „Bei uns fließt viel Geld, das wir dringend für andere Bereiche bräuchten, in die EDV. Wirklich zufrieden sind wir trotzdem nicht. Es gibt viele kleine Baustellen: Beispielsweise wünsche ich mir ein Tool, das die Zahlen, die ich benötige, flexibel auf Knopfdruck liefert. “
Nur ein Hilfsmittel
Kurt Deppert ist Geschäftsleiter von Plus Service, einem Tochterunternehmen der TÜV-Süd, das auf Prozessmanagement im Autohaus spezialisiert ist. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass das Thema EDV für viele Händler wie eine BlackBox ist. „Es ist für viele Händler schwer, den Nutzen direkt zu erkennen.“
Nach Ansicht von Sven Kalus, Manager Business Development beim Softwareanbieter Global-E-Net, ist es ein großes Problem, dass der Automobilhändler, der sich für ein neues DMS entscheidet, dieses oftmals als Wunderwaffe betrachte. Er glaube, damit seine Autohausprozesse wie von Geisterhand in den Griff zu bekommen. „Viele Händler erwarten, dass mit einen neuen DMS alle Prozesse laufen. Doch das ist nicht der Fall.“
Baustelle CRM
So glaubten auch viele Händler, eine CRM-Software genüge in Sachen Kundenzufriedenheit. „Sie vergessen, dass sich dahinter eine Philosophie verbirgt, die ein Umdenken im Betrieb erfordert“, betont Dirk van Elk, Geschäftsführer der Händler Netz Consulting GmbH. Christoph Reichert, Vorstandsvorsitzender der ASC AG, betont, dass eine Software lediglich ein Werkzeug sei, dass die Händler parametrieren müssen, um die Prozesse im Autohaus optimal zu unterstützen.
Das größte Problem bei der Umstellung auf ein neues DMS ist, dass die Händler bereit sein müssen, ihre Prozesse auf den Prüfstand zu stellen und sie gegebenenfalls zu überdenken. „Der Wechsel eines DMS ist ein sehr schwieriges Thema, speziell für ältere Mitarbeiter“, bemerkt Christoph Reichert, Vorstandsvorsitzender der ASC AG.
Viele arbeiteten seit 15 oder gar 20 Jahren mit demselben, oftmals museumsreifen System, das zwar funktioniert aber nicht die nötige Flexibilität bietet. Sie wehrten sich innerlich gegen einen Wechsel. „Sie ziehen es vor, ihr Dealer-Management-System durch Add-Ons zu ergänzen, statt es zu ersetzen“, bedauert Reichert. Das Autohaus müsse daher professionelles Change-Management betreiben.
Strukturen überprüfen
Die Voraussetzung für den erfolgreichen Umstieg auf ein neues DMS ist nach Ansicht der Teilnehmer, dass sich das Autohaus bereits im Vorfeld intensiv mit seinen Prozessen und Strukturen beschäftigt, und damit, wie sich diese durch Software abbilden lassen. Die Realität sieht nach Ansicht von Klaus Gutland, Marketingdirektor des Softwarehauses Audev, allerdings oft anders aus: „Es kommt durchaus vor, dass ein Autohaus, das eine neue Marke vertreibt, sich für ein neues Dealer-Management-System entscheidet, ohne sich vorher mit den Prozessanforderungen auseinanderzusetzen, die die neue Marke mit sich bringt.“
Prozesse unterstützen
Doch gibt es tatsächlich Programme, die den Handel wirkungsvoll bei ihren Prozessen unterstützen? „Nein“, meint Deppert. „Wir haben eigens eine Prozesssteuerungssoftware entwickelt, weil es nichts Vergleichbares gab.“ Kein Autohaus funktioniere wie das andere. Jedes habe eigene Prozesse. Und dies erfordere von den DMS eine hohe Flexibilität, die allein schon kostentechnisch schwer realisierbar sei.
Einen möglichen Weg für DMS-Anbieter sieht Wolfgang Börsch, Entwicklungsleiter bei Loco Soft: Sie könnten Add-Ons von Fremdfirmen anbieten beziehungsweise mit Drittanbietern kooperieren, um flexibler auf Kundenanforderungen reagieren zu können.
Christoph Schwarz, Geschäftsführer von EDS Midmarket, weist auf die Flexibilität eines ERP-basierten DMS-Systems hin. Ein solches System biete den Vorteil, dass es sich nicht um eine Software mit fest definierten Prozessen handele; vielmehr lasse sie sich individuell parametrieren. Dennoch sei auch ein ERP-System nicht vor allen Problemen gewappnet, die spezielle Prozessanforderungen in einem Autohaus mit sich bringen.
Hohe Erwartungen
DMS-Anbieter bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen den Prozessanforderungen der Hersteller und denen des Handels: „Speziell die gößeren Mehrmarkenautohäuser haben erkannt“, so Christoph Schwarz, „dass sie mit den von den Herstellern vorgegebenen Prozessen kein Geld verdienen können. Sie haben sehr spezifische Anforderungen an ein DMS, die eigentlich nur eine Individuallösung zu 100 Prozent erfüllen kann. Aber die kostet sehr viel Geld. Es gibt nur wenige Kunden, die bereit sind, dafür zu bezahlen, weil der finanzielle Spielraum im Automobilhandel sehr eng ist. Die meisten erwarten, dass mit einem Standard-DMS alle Prozesse reibungslos funktionieren, und das nach 14 Tagen. Das ist schlichtweg unrealistisch.“
Nach Ansicht von Jürgen Hasselbring kann sich der Automobilhandel eine Individuallösung gar nicht leisten. Dem stimmt Norbert Zeranski von Dello zu: „Wir haben vor zwanzig Jahren entschieden, eine eigene Software zu entwickeln, die genau unseren Anforderungen entspricht. Heute wäre das kaum noch finanzierbar.“
IT ist Chefsache
Sieglinde Walz, Vertriebsleiterin bei T-Systems, vermisst im Handel die Bereitschaft, sich intensiv mit der IT auseinanderzusetzen: „Leider bekommt man oft den Eindruck, dass sich die Autohäuser nicht mit dem lästigen Thema EDV beschäftigen wollen.“ Viele unterschätzten die Bedeutung, die die IT inzwischen im Unternehmen hat. „IT muss zur Chefsache gemacht werden“, fordert Walz. Sie appelliert an die Händlerverbände, sich intensiver um das Thema EDV zu kümmern. Sie müssten auch dafür sorgen, dass sich die Hersteller nicht in die Handelsprozesse einmischen.
Viel Unzufriedenheit ließe sich durch eine intensivere Kommunikation zwischen DMS-Anbietern und Handel vermeiden. Händler sollten beispielsweise, so der Appell der IT-Anbieter, die Chance nutzen, an den angebotenen Round Tables teilzunehmen. Den Händlern, die vor der Entscheidung für ein neues DMS stehen, rät Martin Graf, Automaster: „Verfassen Sie ein Storybook, in dem sie die Prozessanforderungen genau festhalten und wenden Sie sich damit an verschiedene DMS-Anbieter.“
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