Reifenhändler auf dem Weg zur freien Werkstatt
Das Jahr 2016 war ordentlich für die Reifenhändler, doch zum Ausruhen bleibt keine Zeit. Auf der Jahresversammlung fordert der Reifenverband seine Mitglieder auf, die künftigen Herausforderungen aktiver anzugehen. Das wird nicht jedem gelingen.
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Der Reifenhandel blickt auf ein ordentliches Jahr zurück und steht zugleich vor großen Herausforderungen. „Die Gesamtmarktentwicklung war 2016 stabil“, resümierte Peter Hülzer auf seiner letzten Mitgliederversammlung als Vorsitzender des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) in Köln. Die Talsohle sei wohl erreicht, es habe keine signifikanten Verluste im Stückzahlgeschäft gegeben.
Kein Wunder also, dass die Reifenhändler überwiegend zufrieden sind. Laut Umfrage sprechen knapp zwei Drittel (61 %) der Betriebe von einer guten oder gar sehr guten Situation.
Das kommt nicht in allen Zahlen zum Ausdruck. Mit einem leichten Zuwachs von 0,5 Prozent auf 48 Millionen Reifen schloss der Consumer-Bereich das vergangene Jahr ab. Dabei entwickelte sich der Bereich, der sich aus Pkw (–0,5 % auf 40,6 Millionen), Offroad (+6,0 % auf 4,1 Millionen) und leichte Lkw (+6,7 % auf 3,4 Millionen) zusammensetzt, in den jeweiligen Segmenten sehr unterschiedlich.
Der Bereich Lkw-Reifen ist mit 2,8 Millionen Stück, davon 1,9 Millionen Neureifen (+6 %) und 0,9 Millionen runderneuerte Reifen (–5,7 %), deutlich kleiner. Dafür ist er mit 90 Prozent überwiegend in der Hand des Reifenfachhandels.
„Es fällt den Betrieben schwer, die positiven Rahmenbedingungen für höhere Reifenabsätze zu nutzen“, bedauerte Hülzer. Weder haben sich die hohen Pkw-Neuzulassungszahlen der vergangenen Jahre noch das hohe Durchschnittsalter der Pkws (9,3 Jahre) für die Reifenhändler ausgezahlt.
Überschaubare Erträge
Bei allen Umsätzen blieben die Erträge überschaubar: Im Durchschnitt lag die Rendite bei 0 Prozent. Allerdings ist dabei ein genauerer Blick nötig: Denn für die Nullnummer sorgten vor allem Filialisten, die eine Rendite von –1 Prozent eingefahren haben. Die anderen Betriebe erzielten eine durchschnittliche Rendite von 3,2 Prozent.
Das reicht allerdings nicht, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Denn die Betriebe stehen vor hohen Investitionen, die zum Beispiel für die Kalibrierung der Geräte getätigt werden müssen. Um die Investitionen zu finanzieren, muss die Rendite laut einer BRV-Arbeitsgruppe zwischen sechs und sieben Prozent liegen. Davon ist die Branche jedoch weit entfernt.
Mittelfristig warten weitere Herausforderungen: Neben der zunehmenden Digitalisierung und der steigenden Komplexität der Fahrzeuge gehören auch die E-Mobilität und die vernetzten Fahrzeuge dazu. Viele Betriebe scheinen bei den Entwicklungen noch Nachholbedarf zu haben. Hülzer warnte vor einem Digitalisierungswahn, legte den Händlern aber dennoch ans Herz, neue Medien zu nutzen, um mit Angeboten wie Online-Terminplaner sowie der Kommunikation über Twitter und Facebook die Kundenbindung zu stärken.
Potenziale im Service-Geschäft
Auch Gerd Heinemann, Geschäftsführer BBE Automotive, sieht noch zahlreiche ungenutzte Potenziale; zum Beispiel beim Angebot von Autoservice-Leistungen. „Zwei von drei Betrieben sind auf dem Weg zur freien Werkstatt“, so Heinemann. Der Marktanteil liege derzeit lediglich bei zwei bis drei Prozent. Um brachliegende Potenziale besser auszuschöpfen, erhalten die BRV-Mitglieder vom Verband, der in Zusammenarbeit mit BBE Automotive ein Beratungsangebot erstellt hat, entsprechende Unterstützung. 79 Betriebe haben bereits eine individuelle Beratung genutzt. „In jedem Betrieb konnten wir mindestens fünf Quick-Wins umsetzen, die zur Steigerung des Rohertrags geführt haben“, resümiert Heinemann.
Optimierungsbedarf sieht der Berater vor allem im Aufbau neuer Geschäftsfelder und eines Autoservices, beim Marketing und der Akquisition von Gewerbekunden, bei Prozessen und der Transparenz in den Unternehmen sowie bei Inhabern und Angestellten.
Doch es sind nicht nur die künftigen Herausforderungen, auch aktuelle Probleme drücken die Branche: Für viele Betriebe wird es immer schwieriger, geeignete Fach- und Nachwuchskräfte zu finden. Hülzer forderte die Betriebe auf, das Thema offensiver anzugehen. „Ich sehe hier bislang mehr Schatten als Licht“, so der scheidende BRV-Vorsitzende. Es gelinge immer weniger, geeignetes Personal für die Branche zu begeistern. Ein entscheidender Grund dafür: die Entlohnung. Löhne und Gehälter sind absolut nicht mehr wettbewerbsfähig.
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