Digitalvertrieb: „Wir hängen zu sehr am Kauf-Knopf“
Anbieter zum Thema
Wie weit ist die Autobranche beim E-Commerce? Mehrere Vertriebsverantwortliche aus der Industrie waren sich beim Ifa-Kongress einig, dass es voran geht. Vom Handel forderten sie – mal wieder – Bereitschaft zur Veränderung. Handelsvertreter reagierten darauf teils gereizt.

Gut gelaunt präsentierte sich Martin Sander am Mittwoch in Nürtingen. Der Europa-Vertriebschef von Audi hatte zum Ifa-Branchengipfel frohe Kunde mitgebracht. „Wir sind jetzt erstmals an der Stelle, digital wirklich Geschäft zu machen. Wir verdienen damit nun echtes Geld. Das ist ein tolles Feld, das wir in den nächsten Jahren weiter ausbauen werden“, erklärte Sander. Im Kopf hatte er dabei die sogenannten Functions on Demand, online buchbare Zusatzfunktionen für Autos, die Audi seit Kurzem auch in Deutschland anbietet.
Das sei besser gestartet, als es der Hersteller selbst erwartet habe, beteuerte Sander. Dennoch gestand er auch ein: „Wir können E-Commerce heute noch nicht in der Form, wie es der Kunde von uns erwartet.“ Ein Reflex, der in der Autoindustrie in dem Zusammenhang häufig festzustellen ist, ist der mahnende Finger in Richtung Handel. Den hoben am Mittwoch Sander, aber auch Heycar-Chef Reinhard Schmidt. Der Audi-Mann bemängelte, dass noch kaum Händler versuchen würden, dem Kunden rund um das Auto zusätzliche Dienstleistungen zu verkaufen. Dabei eröffne die Digitalisierung dafür viele Möglichkeiten. „Da müssen wir alle miteinander kreativer sein. Wir müssen mehr Kundennutzen generieren und diesen in Profit umwandeln“, so Sander.
Schmidt wiederum merkte an: „E-Commerce in der Autobranche funktioniert.“ Die Mehrheit der Händler sei aber nicht bereit, entsprechend dafür zu investieren. Dem widersprach AVAG-Chef Roman Still. „Natürlich ist der Handel digital. Wir sind alle dabei und lernen jeden Tag dazu“, sagte er. Gerade bei komplexen Fragestellungen seien Händler die richtigen Ansprechpartner. Teilweise bremsten aber die Hersteller ihre Partner auch bei dem Vorhaben ein, die Prozesse nahtloser zu gestalten.
Auch an anderer Stelle waren sich Schmidt und Still nicht einig. Der Heycar-Chef erklärte: „Es gibt kaum Gründe, warum der Online-Kauf eines Fahrzeuges nicht genauso einfach sein kann wie der Kauf von Schuhen.“ Der AVAG-Chef entgegnete: „Für ein Auto haut der Kunde anders als für Bücher oder Schuhe richtig Kohle raus. Da tut ihm eine helfende Hand gut.“
„Der Online-Vertrieb allein erfüllt nicht den Bedarf des Kunden“
Generell merkten die Händler-Vertreter – das waren neben Roman Still noch Bernhard Linnenschmidt von der Emil Frey Gruppe Deutschland und Klaus Hungerland von Gottfried Schultz – an, dass man bei aller Digitalisierung nicht vergessen dürfe, dass nicht alle Kunden rein digital bedient werden wollen – oder können. Hungerland sagte: „Der Online-Vertrieb allein erfüllt nicht den Bedarf des Kunden.“ Vielmehr gehe es darum, jedem Interessenten das zu bieten, was dieser auch wolle. Linnenschmidt erklärte: „Ob der Kunde im Autohaus oder zuhause kauft – der Prozess muss identisch sein. Das ist eine schwierige Aufgabe, aber dahin müssen wir uns entwickeln.“
Einen ähnlichen Standpunkt vertrat mit Alexander Pollich – Chef von Porsche Deutschland – auch ein Vertreter aus der Industrie. „Wir hängen uns alle zu sehr am Kauf-Knopf auf. Das verkürzt das Thema extrem“, merkte er an. Wichtig sei, dass der Kunde im System bleiben müsse, egal, ob er das Geschäft rein online abschließt oder per Telefon, E-Mail oder im Porsche-Zentrum. Natürlich bedeute das, dass der Handel sich verändern müsse, meint auch Pollich. „Aber ich kenne keinen Händler, der digital noch nichts macht. Auch wir können viel vom Handel lernen.“
„Wir sagen unseren Partnern: Stop selling cars“
Den Fokus auf eine zielgerichtetere Kundenbetreuung legte auch Toyota-Deutschlandchef Alain Uyttenhoven. „Wir sehen keine Trennung zwischen stationärem und digitalem Handel.“ Die Devise laute „phygital“ – also eine Mischung aus physischen und digitalen Kontaktpunkten. Ähnlich wie Sander merkte aber auch Uyttenhoven an, dass der Handel viel breitere Angebote als bislang bieten müsse. „Wir sagen unseren Partnern: Stop selling cars. Wir müssen anders denken. Unsere Händler werden immer mehr Mobilitätsanbieter werden und müssen Kunden in dem Kontext beraten.“
Dabei werde künftig auch Künstliche Intelligenz eine Rolle spielen, die menschliche Note könne diese aber nicht überall ersetzen, zeigte sich Uyttenhoven überzeugt. „Wir sollten nicht in „entweder, oder“, sondern in „und“ denken“, erklärte der Toyota-Deutschlandchef.
(ID:46922890)