Wenn Stahl leichter als Alu ist
Als Kolbenwerkstoff bietet Stahl in modernen Dieselmotoren viele Vorteile. Im nächsten Jahr kommen die ersten Pkw-Serienteile auf den Markt.
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Bei Nutzfahrzeugmotoren gehören Kolben aus Stahl statt aus Aluminium längst zum Standard. Im kommenden Jahr wird Mercedes-Benz als erster Hersteller bei einem Personenwagen-Dieselmotor Stahlkolben von KSPG (Kolbenschmidt-Pierburg) in die Großserie einführen. Im gleichen Jahr startet auch Renault mit Stahlkolben, die jedoch von Mahle entwickelt wurden. Ähnliche Untersuchungen laufen bei allen anderen Motorenherstellern.
Dabei ist das Material keine Neuheit in der Kolbenfertigung. Im Motorrad- und Automobilbau waren bis in die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts Graugusskolben üblich. Bei geringen spezifischen Leistungen versahen sie problemlos ihre Arbeit. Fraßen sie sich jedoch im Zylinder fest, ließen sie sich nur noch mit dem Vorschlaghammer herausholen. Zylinderblock und Kolben – beide aus Grauguss – schrumpften zusammen und trennten sich nicht voneinander wie Grauguss und Aluminium.
Le-Mans-Dieselrenner fahren bereits mit Stahlkolben
Die heutigen Diesel-Rennmotoren von Audi und Peugeot für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans brauchten Mahle-Stahlkolben wegen der extremen Leistungsdichte, die höchste Ansprüche an die Festigkeit stellt. Tatsächlich entwickelt der Stahlkolben sein Potenzial jedoch vor allem in Alltagsmotoren.
Von den drei großen, weltweit tätigen Kolbenzulieferern haben KSPG und Mahle bereits Stahlteile für Pkw serienreif entwickelt. Auch Federal Mogul – vor einigen Jahren noch ein Gegner dieser Technik – arbeitet daran. Mahle kommt zugute, Stahlkolben in Renndieseln unter extremen Bedingungen erprobt zu haben und in mehreren Jahren wichtige Hinweise gewonnen zu haben, die für die Serienentwicklung nützlich sind. Herausgekommen ist ein Kolben, der dem Aluminium-Pendant nur noch rudimentär ähnelt.
Der Kolbenbolzen rückt nach oben näher an den Kolbenboden heran und wird ebenfalls leichter. Im Fall des künftigen Serienkolbens sinkt die Kompressionshöhe um14 Millimeter, um die seinerseits das Pleuel länger werden kann. Das reduziert die Seitenkraft und mit ihr den Reibverlust an den Zylinderwänden (besonders bei Volllast). Ob sich daraus ein Leistungsgewinn ergibt, müsste untersucht werden. Jedenfalls macht es Stahlkolben leichter als Aluminiumkolben.
Wegen der schlechten Wärmeleitung von Stahl gegenüber Aluminium ist die Kühlung des Kolbenbodens und der Ringpartie das größte Problem. Alle Kolben besitzen deshalb Kühlkanäle, die bei den jüngeren Entwicklungen nachträglich durch Federbleche nach unten verschlossen werden.
Kleinerer Ringspalt vermindert Partikelemissionen
Einer der wichtigsten Vorzüge gegenüber Aluminium ist die geschrumpfte Feuersteghöhe, also der Abstand zwischen oberstem Kolbenring und Kolbenbodenkante. In diesem Ringspalt sammelt sich besonders beim Kaltstart unverbrannter Kraftstoff, der nach der Zündung vor sich hin kokelt und Partikel bildet. Der Ringspalt wird zusätzlich durch das geringere Kolbenspiel verkleinert, da gusseiserne Motorblöcke und Stahlkolben etwa die gleiche Wärmedehnung besitzen. Damit klappern Stahlkolben beim Kaltstart auch in älteren Motoren nicht.
Enge Einbautoleranzen erlauben es zudem, mit kürzeren Schäften zu arbeiten. Für Stahlkolben im Aluminium-Motorblock entwickelte Mahle eine etwas geänderte Variante mit thermisch entkoppeltem Schaft, der den Namen Mono Guide trägt.
Um das Potenzial der Neuentwicklung zu verdeutlichen, nahmen die Ingenieure von Mahle einen Vierzylinder-Großserienmotor der Abgasstufe Euro 5 mit Aluminiumkolben auf den Prüfstand und vermaßen ihn bis ins letzte Detail. Dann verbauten sie anstelle der Aluminiumkolben Stahlkolben sowie längere Pleuel und wiederholten die Messprozedur ohne jede Änderung der Einstellungen. Weder die Einspritzung noch das Abgassystem wurden verändert.
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