125 Jahre Skoda: Der Flirt mit dem Buggy
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Die Geschichte des tschechischen Autobauers brachte manch skurrile Entwicklung zutage. Besonders ungewöhnlich für den damaligen Ostblock ist die Idee eines dach- und türlosen Spaßmobils. Sie wurde später sogar nochmals aufgegriffen.

Ende der Sechzigerjahre kam ein neuartiger Automobiltrend nach Europa: der Dünen- bzw. Strand-Buggy. Ein Phänomen, das von den Stränden und Sanddünen Kaliforniens und Floridas herübergeschwappt war und mit besonders puristischem Fahrspaß lockte. Die recht einfach gestrickten Mobile wurden oftmals als Bausatz angeboten und fußten zumeist auf der modifizierten Serientechnik von Kleinwagen wie dem VW Käfer, die mit leichten Karosserien aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) kombiniert wurden. Von diesem Trend wurde auch der Autobauer Skoda erfasst, bedienten sich Hersteller dieser Fahrzeuge nämlich auch der Basismodelle der böhmischen Marke.
Zu den aktivsten Buggy-Herstellern zählte damals Francois Vernimmen aus dem belgischen Namur. 1971 baute er zwei Exemplare seines „Buggy VF“ auf der verstärkten Bodenplattform des Skoda 100, deren Radstand von 2.400 auf 2.240 mm verkürzt wurde. Die offene Karosserie besaß ein Planenverdeck und ansonsten nicht viel mehr als ein Sportlenkrad und Schalensitze. Der im Heck eingebaute Vierzylinder mit 988 Kubikzentimetern Hubraum und einer Leistung von 42 PS sowie das Vierganggetriebe entsprachen dem Stufenheck-Serienmodell. Nach seiner Weltpremiere auf dem Messestand von Skoda im Rahmen der Brüsseler Automobilausstellung im Januar 1972 entstanden innerhalb von drei Jahren rund 30 Exemplare dieses Fahrzeugs, das ab 1973 unter dem Modellnamen VF Okapi lief und auch mit einem 1.107 Kubikzentimeter großen Motor zur Verfügung stand.
Ähnliche Spezialanfertigungen vertrieb Motorest, seinerzeit als Generalimporteur von Skoda in Italien tätig. Tatsächlich handelte es sich bei dem im November 1972 auf der Turiner Automobilausstellung vorgestellten „Kirby“ aber um eine Entwicklung des Kleinstwagenherstellers Autozodiaco aus Pianoro nahe Bologna. Der offene Zweisitzer basierte ebenfalls auf dem Skoda 100, dessen 2.400-Millimeter-Radstand die Italiener unverändert übernahmen. Ebenso wie der VF besaß der Kirby neben einem Rohrrahmen, der die Windschutzscheibe hielt, zur Sicherheit auch einen hinteren Überrollbügel. Insgesamt blieb es aber bei nur zwei Exemplaren.
All diese pfiffigen Eigenkonstruktionen blieben im Entwicklungszentrum in Mladá Boleslav nicht unbemerkt. 1973 legte die Marke das Projekt 736 auf Kiel: Der Skoda Buggy sollte zeigen, ob ein ähnliches Fahrzeug für den Export geeignet wäre und aus geschäftlicher Sicht Sinn ergeben würde. Im Sommer 1976 hatte der putzige Prototyp alle Tests bestanden. Technisch basierte er auf dem 110 L. Dessen Radstand hatten die Konstrukteure auf 2.000 Millimeter gekürzt und die Bodenplattform mit zwei Längsstreben, einem Rohrrahmen um die Windschutzscheibe und einem höheren Überrollbügel über den Köpfen von Fahrer und Beifahrer versteift. Das Design der offenen Metallkarosserie, die als 2+2-Sitzer immerhin Platz für vier Personen bot, entstammte der Feder von Josef Čech.
Werk verbessert die privaten Umbauten
Entstand das erste Exemplar noch unter tatkräftiger Mithilfe der Entwicklungsabteilung, die auch für die Lackierung sorgte, so wurden die weiteren vier Exemplare bis Oktober 1975 von den Auszubildenden des Autoherstellers in der firmeneigenen Berufsschule per Hand zusammengeschraubt. Damit legte das Projekt die Grundlage für zahlreiche weitere „Azubi“-Cars wie zum Beispiel den 2017 vorgestellten Skoda Element. Der fahrfertige Strandflitzer mit Solar-Panel, Smart-TV, Kühlbox und mobiler Disco an Bord entstand auf Basis des Citigo, kommt aber ebenfalls ohne Dach und Türen aus – ein klassischer offener Buggy. Angetrieben wird der moderne Zweisitzer von einem kompakten Elektromotor mit 82 PS und einem Drehmoment von 210 Newtonmeter – und ist natürlich ein Einzelstück.
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Elektro-Buggy entsteht auf Basis des Skoda Citigo
Zurück zum Skoda Buggy von 1973: Von den belgischen und italienischen Angeboten unterschieden sich die Werks-Prototypen durch ihre besser durchdachte Konstruktion. So trug zum Beispiel die Positionierung des Kühlers, der Batterie und des 40-Liter-Kraftstofftanks im Vorderwagen maßgeblich zu einer günstigeren Gewichtsverteilung und ausgewogeneren Achslasten bei. Massive Rohrrahmen schützten die Front- und Heckpartie. Besonders ins Auge fielen die beiden Scheinwerfer, die auf der vorderen Karosserieabdeckung angeschraubt waren, sowie das von einer Hülle geschützte Reserverad auf der Motorhaube hinten.
Dennoch keine Serienfertigung
Der 3,32 Meter kurze Buggy brachte nur 710 Kilogramm auf die Waage, durfte aber 400 Kilogramm zuladen. Genug für vier Personen plus Gepäck, für das es allerdings keinen separaten Stauraum gab. Nur wer zu zweit unterwegs war, durfte die Rückbank als immerhin 980 Millimeter breite Ablagefläche nutzen. Vor Regen konnten sich die Insassen durch ein Textilverdeck und Seitenteile mit transparenter Folie schützen. Auf den Barum-Straßenreifen der Dimension 165 SR 13 – das Geländeprofil hatte die Größe 175 SR 13 – erreichte der Prototyp bei halber Zuladung eine Höchstgeschwindigkeit von 107 km/h.
Fast 30.000 Kilometer legte der Skoda Buggy Typ 736 bei Testfahrten zurück. Trotzdem kam es nicht zu einer Serienfertigung dieses Nischenmodells, obwohl seine Entwickler Ansätze fanden, um die Produktion zu vereinfachen und die Kosten zu senken. Dies reichte vom Einsatz einer GFK-Karosserie bis hin zu Überlegungen, den Buggy auch der Polizei oder dem Grenzschutz anzubieten, was an der seinerzeit gültigen Gesetzgebung scheiterte. Dafür versah einer der Prototypen nach dem Ende des Projektes auf dem internationalen Flughafen Prag-Ruzyně, der heute den Namen von Václav Havel trägt, Dienst als Follow-Me-Wagen. Ein Exemplar gehört heute zum Bestand des Skoda Museums in Mladá Boleslav. Es wurde 2017 sorgfältig restauriert: von den Schülern der firmeneigenen Berufsschule, deren Vorgänger bereits in den Siebzigerjahren den Bau des ungewöhnlichen Automobils in der Hand hatten!
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