Lockdown-Verlängerung und Verschärfung Rolle rückwärts auch für den Kfz-Handel

Von Doris Pfaff

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Statt Lockerungen gibt es Verschärfungen: Der seit 16. Dezember bestehende Lockdown geht bis zum 18. April in die Verlängerung. Steigen die Inzidenzzahlen über 100, soll die Notbremse gezogen werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erläuterte in der Nacht zu Dienstag die neuen Beschlüsse von Bund und Ländern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel erläuterte in der Nacht zu Dienstag die neuen Beschlüsse von Bund und Ländern.
(Bild: Pfaff/»kfz-betrieb«)

Von weiteren Öffnungen war keine Rede mehr. Stattdessen kommt die Notbremse. Sie wird überall dort gezogen, wo die Inzidenzzahlen den Wert von 100 überschreiten. Das beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Corona-Gipfel am Montag. Kurzzeitig stand der Beschluss im Raum, ab Gründonnerstag und über Ostern bundesweit das öffentliche Leben weitgehend herunterzufahren. Diese Idee hat Kanzlerin aber inzwischen als Fehler bezeichnet und wieder verworfen.

Für den Autohandel heißt das: In vielen Landkreisen steht nun das sogenannte Terminshopping auf der Kippe, das seit den Lockerungen in den vergangenen zwei Wochen möglich war. NRW hat am Dienstagmorgen bereits angekündigt, diesen Schritt umzusetzen. Aus Click-and-Meet wird dann wieder Click-and-Collect: Das heißt, der Kunde darf bestellen und abholen, aber nicht mehr in den Laden. Der Bund-Länder-Beschluss soll mit den Landesverordnungen umgesetzt werden und am 29. März in Kraft treten.

In Bayern wurde derweil angekündigt, den Einzelhandel ab dem 12. April ohne zusätzliche Auflagen öffnen zu können, zwischen 100 und 200 mit „Click and meet“ und negativem Test.

Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) reagierte über den Beschluss enttäuscht. Nur wenige Tage zuvor hatte der Verband mit Autotransportern vor dem Bundeskanzleramt demonstriert und die Öffnung der Autohäuser gefordert. Die aktuellen Beschlüsse des Corona-Gipfels und die Lockdown-Verschärfungen befeuerten die Krise im Automobilhandel, teilte ZDK-Präsident Jürgen Karpinski mit. „Der zentrale Vertriebskanal der volkswirtschaftlich bedeutenden Automobilbranche bleibt dicht, und das schon seit Mitte Dezember 2020“, sagte er. Das habe für den Kfz-Handel desaströse Folgen.

ZDK: Existenzen stehen auf dem Spiel

Viele Existenzen im mittelständischen Kraftfahrzeuggewerbe seien gefährdet. Nach drei Monaten Berufsverbot seien Verständnis und Geduld der Autohändler inzwischen komplett aufgebraucht. Statt den Einzelhandel und damit die Autohäuser zuzusperren, sollten systematisch Schnelltest eingesetzt und mit digitaler Kontaktnachverfolgung weitere Öffnungsschritte zugelassen werden, so wie es beispielsweise derzeit in Tübingen modellhaft praktiziert wird.

Die Rückkehr von Click-and-Meet zum Bestell- und Abholservice bedeutet für den Autohandel ein herber Rückschlag. In einigen Regionen von Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und dem Saarland hatten einige Autohäuser uneingeschränkt geöffnet. Fast überall war zumindest das Terminshopping möglich. Das hatte dem Autohandel wieder etwas Luft verschafft.

Jetzt müssen sie mit Flatterbänder ihre Verkaufsflächen wieder absperren. Die Anfang März in der Öffnungsstrategie definierte „Notbremse“ sieht die Rücknahme von Öffnungen vor, wenn die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen in einer Region oder in einem Land an drei aufeinander folgenden Tagen über 100 steigt. Und das ist inzwischen in weiten Teilen des Landes passiert.

Ausschlaggebend sind jedoch die jeweiligen Corona-Schutzverordnungen der Länder. Denn trotz des gemeinsamen Beschlusses Anfang März hatten einige Landesregierungen die beschlossene Notbremse nicht überall umgesetzt. Das soll diesmal anders sein. Die vereinbarte Notbremse muss konsequent gezogen werden, heißt es im aktuellen Beschluss.

Statt Öffnungen kommt die Rolle rückwärts

Thomas Peckruhn, Vizepräsident des Kfz-Gewerbes, hatte zuletzt darauf gehofft, dass es keine „Rolle rückwärts“ gibt und die bestehenden Erleichterungen durch Terminvereinbarungen trotz der Inzidenzzahlen nicht zurückgenommen werden. „Die Situation ist dennoch jetzt eine andere als noch vor einigen Wochen. Inzwischen haben mehrere Gerichte mit ihren Entscheidungen gezeigt, dass es nicht so einfach ist, nur zuzumachen“, sagte er.

Thüringen hat als einziges Bundesland den Autohandel von der Schließungsverordnung weiterhin ausgenommen. Zuerst hatte das Oberverwaltungsgericht Saarland die Corona-Schutzverordnung wegen Benachteiligungen des Einzelhandels gekippt, vergangene Woche das Oberverwaltungsgericht in NRW.

Anders als im Saarland , besserte jedoch die NRW-Landesregierung nach. Seit Montag müssen in NRW auch wieder Buchläden, Gartencenter und Schreibwarengeschäfte schließen. Für sie gilt nun auch die Pflicht der Terminvereinbarung, sofern diese erlaubt ist.

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Schöpfte noch Anfang März der Autohandel nach der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel erstmals wieder Hoffnung, war die Stimmung am Montag im Kfz-Handel auf dem Tiefstand. Den anvisierten nächsten Lockerungsschritt erwartete angesichts der steil ansteigenden Infektionszahlen gestern niemand mehr. Jetzt ist das Frühjahrsgeschäft voll betroffen.

Karpinski: Impfprozess beschleunigen

Das ist für Peckruhn nicht akzeptabel: „Es ist geboten, sich dem Thema Pandemie zu stellen. Einfach nur zusperren ist keine Lösung mehr. Wir müssen die Möglichkeiten, die wir haben, nutzen.“ Er selbst lasse derzeit seine Mitarbeiter engmaschig testen und kämpft darum, dass sie auch schnell geimpft werden können. Schließlich seien die Kfz-Werkstätten systemrelevant, dann müssten auch die Mitarbeiter auch in der Priorisierungsgruppe der Impfliste aufgenommen werden.

Der Impfprozess müsse massiv beschleunigt und auf breitere Bevölkerungsgruppen ausgeweitet werden, forderte auch Karpinski. „Wir können und dürfen nicht warten, bis die Pleitewelle rollt. Die Politik muss Handlungswege aufzeigen und darf unser Land nicht länger stilllegen“, teilte er mit.

Bayern will ab 12. April wieder öffnen

Verärgerung über den Beschluss herrscht auch im Kfz-Gewerbe Bayern. „Die politische Entscheidung, den Lockdown erneut zu verlängern und sogar zu verschärfen, bedroht viele der mittelständisch geprägten Kfz-Innungsbetriebe in Bayern in ihrer Existenz“, sagte Präsident Albert Vetter.

Allein die verordneten „Ruhetage“ am Gründonnerstag und Ostersamstag seien für Werkstätten und Kfz-Handel ein herber Rückschlag, der eine organisatorische Herausforderung und durch die zu erwartende Lohnfortzahlungspflicht eine weitere finanzielle Belastung sei. „Das wichtige Frühjahrsgeschäft geht 2021 politisch gewollt komplett verloren.Wir müssen jetzt ausbaden, dass die Politik beim Impfen und Testen zu lange geschlafen hat", schimpfte Vetterl.

Allerdings habe am Dienstag die bayerische Staatsregierung dem Handel bereits die Öffnung nach den Osterferien zugesagt: Bei einer Inzidenz unter 100 soll ab 12. April der Einzelhandel ohne zusätzliche Auflagen öffnen können, zwischen 100 und 200 mit „Click and meet“ und negativem Test. „Wir haben immer gefordert, dass der Handel belastbare Perspektiven braucht. Deshalb ist diese Entscheidung ein Schritt in die richtige Richtung – dem noch weitere folgen müssen“, sagte Vetterl.

VDIK: Autohandel wird in den Lockdown geschickt

Mit Unverständnis reagierte auch der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) auf das Ergebnis: „ Mit der heutigen Entscheidung wird der Autohandel in vielen Regionen Deutschlands wieder zurückgeschickt in den Lockdown. Wirtschaftlich kann das verheerend sein, weil das für die Autobranche so immens wichtige Frühjahrsgeschäft erneut wie schon 2020 stark eingeschränkt wird", sagte Präsident Reinhard Zirpel. Da Autohäuser über ausreichend große Verkaufsflächen verfügten, brauche es Regelungen, hier Terminshopping weiterhin zu ermöglichen.

Nun sind die Länder wieder am Zug und müssen im Laufe der Woche ihre Corona-Schutzverordnungen anpassen und den Bund-Länder-Beschluss umsetzen. Spannend dürfte auch sein, inwieweit die Länder die zeitlich befristeten Modellprojekte realisieren, die der Bund-Länder-Beschluss erlaubt. Sie sollen in ausgewählten Regionen bestimmte Öffnungsschritte ermöglichen, wenn dabei konsequent getestet wird und die Kontakte nachverfolgt werden. Am 12. April wollen Bund und Länder erneut zusammen kommen, um über die nächsten Schritte zu beraten.

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