IAA-Neuheiten: Zulieferer entwickeln das Auto weiter
Mit teils großem Getöse haben die Hersteller den Vorhang von ihren neuen Autos und Studien gezogen. Etwas unauffälliger, jedoch nicht minder spannend, sind die Neuheiten der Automobilzulieferer. Ein Messerundgang zum IAA-Abschlusswochenende.
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Die IAA begann mit einem großen Knall. Wortwörtlich, denn gleich am ersten Tag krachten an einem Info-Pavillon von BMW Deckenteile zu Boden. Verletzt wurde zum Glück niemand. Andere Showeffekte waren geplant: Unter dramatischen Klängen und viel Licht fuhren zahlreiche neue Autos auf Bühnen, Vorhänge wurden gehoben, Videos gezeigt. Die Präsentationen der Automobilzulieferer sind da deutlich dezenter. Doch die Neuheiten sind nicht minder erwähnenswert:
Brose: Komplettsitz für Komplett-Entspannung
Brose setzt auf Systeme. Eines davon ist eine Kompletttür, in die sich laut des Coburger Automobilzulieferers alle Komponenten vom Schließsystem bis zum Seitentürantrieb integrieren. Und dann gibt es da noch das erste Ergebnis aus dem Joint Venture mit dem Textilexperten Aunde: Ein Komplettsitz, dank Leichtbau etwa 40 Kilogramm schwer und mit integrierten Leuchtfasern. Der Sitz stellt sich individuell auf den Passagier ein, bei längeren Fahrten soll die Liegeposition in der sogenannten Nullherzlage inklusive Beinauflage und verstellbarer Armlehne für Komfort und Entspannung sorgen. Und dann kann der Sitz sogar massieren. Laut einem Sprecher des Unternehmens soll er bereits in einem Jahr serienreif sein.
Conti-Chef Degenhart geht in die Offensive
Kurz vor der IAA hatte Continental-Chef Elmar Degenhart bereits drastische Sparmaßnahmen angekündigt. Auf der IAA ging Degenhart weiter in die Offensive: „Die Automobilindustrie ist seit über einem Jahr in einer Rezession“, sagte der Vorstandsvorsitzende des zweitgrößten Zulieferers der Welt. Degenhart kritisierte die hohen Unternehmenssteuern und Sozialausgaben für Arbeitgeber in Deutschland. Zudem forderte er mehr Investitionen in die Infrastruktur für digitale Dienste und mehr Optimismus im Land.
Die Produkte von Continental gerieten bei den Appellen an Politik und Gesellschaft während der Pressekonferenz in den Hintergrund. Zu den Highlights gehört unter anderem einen Vollhybrid auf Basis von 48-Volt-Technik und die neueste Version der „Integrated Interior Plattform“ (IIP). Dieser Hochleistungscomputer soll die Grundlage für die Interaktion zwischen Mensch und Fahrzeug im vernetzten Cockpit bilden. In seinem Cockpit-Demonstrator zeigt der Zulieferer, wie die IIP verschiedenste Anzeigen wie das Kombi-Instrument und das Mittelkonsolendisplay mit Internet-basierten Diensten zusammenführt. Damit ersetzt die IIP mehrere einzelne Steuergeräte.
Webasto zeigt ein formschönes Dach
Eine Premiere feierte das sogenannte „Roof Sensor Module“ von Webasto. Die komplette Sensorik für selbstfahrende Autos ist laut Webasto „formschön“ in das Dachsystem integriert. Der Zulieferer sieht sich in der Lage, auch transparente und öffenbare Dachsysteme mit integrierter Sensorik samt hoher Steifigkeit umzusetzen.
ZF: Neues Getriebe für Plug-In-Hybride
ZF präsentierte erstmals seinen weiterentwickeltes Plug-In-Hybrid-Getriebe. Dieses hat nun die Elektronik und E-Antrieb integriert, was laut CEO Wolf-Henning Scheider nicht nur die Kosten für das Getriebe reduziert, sondern auch den Einbau in das Fahrzeug für den OEM erleichtert. Das neue PHEV-Getriebe soll deutlich effizienter sein, wodurch sich die elektrische Reichweite eines Fahrzeugs auf über 100 Kilometer erhöhen soll. Vor knapp einem Jahr kündigte Scheider einen „Volkshybrid“ an: „Er ist es noch nicht“, sagte Scheider auf der IAA mit Bezug auf den dort vorgestellten Antrieb. Aber man arbeite an der nächsten Stufe und das nun vorgestellte Konzept sei ein weiterer Schritt, den Platzbedarf für die Plug-In-Hybrid-Technik zu verringern.
Premiere feierte außerdem ein Elektroantrieb mit integriertem Zwei-Gang-Getriebe. Die E-Maschine liefert laut ZF bis zu 140 Kilowatt und verbrauche in Kombination mit dem Getriebe weniger elektrische Energie. Der Gangwechsel erfolgt bei 70 km/h. Da der Antrieb an den CAN-Bus des Fahrzeugs angebunden ist, können auf Kundenwunsch auch andere Schaltschwellen eingestellt werden. Kombiniert mit GPS-Koordinaten und Navigationskarten ließe sich somit eine je nach Vorgabe angepasste Schaltstrategie umsetzen. „Bislang mussten sich Fahrzeughersteller bei elektrischen Antrieben zwischen einem hohen Anfahrdrehmoment und einer höheren Endgeschwindigkeit entscheiden“, erklärt Bert Hellwig, Leiter des Systemhauses E-Mobility bei ZF. „Diesen Zielkonflikt lösen wir nun auf, denn der neue Antrieb wird für leistungsfähige und schwerere Fahrzeuge kompatibel sein – zum Beispiel für Pkw, die einen Anhänger ziehen.“
Hella mit Batteriemanagementsystem
Auch der Zulieferer Hella stellt die Elektromobilität in den Mittelpunkt seines Messeauftritts. Kernprodukt ist in diesem Kontext das „Dual Voltage Battery Management System“. Es bündelt die Funktionen einer 48 Volt- und 12-Volt-Batterie (inklusive Low Voltage Battery Management) innerhalb eines einzigen Produktes auf dem Bauraum einer konventionellen 12-Volt-Batterie. Das neue Produkt spare Gewicht und Bauraum und lasse sich einfach in bestehende Fahrzeugarchitekturen integrieren. Die Schaltung der Zellen soll es ermöglichen, die Kapazität der Li-Ion-Batterien je nach Anwendungsfall im 12-Volt- oder 48-Volt-Bordnetz zu verwenden.Start der Serienproduktion wird laut Hella im Jahr 2023 erwartet.
Der Automobilzulieferer zeigt zudem einen neuartigen Sensor, mit dem sich der Zustand der Straßenoberfläche ermitteln lässt. Der Körperschallsensor „SHAKE“ (Structural Health And Knock Emission) sei in der Lage, bereits auf Basis kleinster Berührungen (beispielsweise Vibrationen aufgewirbelter Wassertropfen) den Straßenzustand festzustellen und den Fahrer etwa vor Aquaplaning zu warnen.
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