Kommt der Online-Neuwagenverkauf? Jain!

Autor Wolfgang Michel

Von Audi bis Volvo: Die Automobilhersteller suchen nach dem richtigen Online-Vertriebsmodell. Nicht immer spielen die Vertragshändler in den Überlegungen eine Rolle.

Anbieter zum Thema

Nicht in den Vereinigten Staaten, sondern in der Schweiz ging im November 1990 die erste Homepage der Welt auf Sendung. 25 Jahre später zählt die Welt über eine Milliarde Webseiten. Brachte früher das Christkind oder der Weihnachtsmann die Geschenke, übernehmen das heute Amazon und Co. Jahr für Jahr nehmen die Onlinekäufe zu, ebenso die Onlineumsätze. Tausende von Onlineshops buhlen um die Gunst der Kunden, einen Ladenschluss gibt es nicht.

Die Menschen kaufen 365 Tage im Jahr rund um die Uhr ein – und zwar fast alle relevanten Konsumentgruppen: Laut Statistischem Bundesamt kauften im Jahr 2014 rund 45 Millionen Deutsche Waren und Dienstleistungen per Mausklick. In der Folge geraten stationäre Händler mit ihren meist lokalen Geschäftsmodellen immer häufiger unter die Räder. In der Regel sind sie beim Preis zweiter Sieger. Pluspunkte beim Verbraucher können sie nur durch Beratungs- und Servicekompetenz sammeln.

Die digitale Zukunft des Automobilvertriebs
Bildergalerie mit 20 Bildern

In Deutschland kaufen so viele Menschen online ein wie in kaum einem anderen EU-Land. Bei einer Umfrage gaben laut EU-Statistikbehörde Eurostat 73 Prozent der Befragten an, in diesem Jahr bereits im Internet geshoppt zu haben. Nur in Großbritannien (81 Prozent), Dänemark (79 Prozent) und Luxemburg (78 Prozent) ist der Anteil der Onlineeinkäufer noch größer. Damit liegen Deutschland und die drei anderen Länder über dem EU-Durchschnitt – der wird mit 53 Prozent angegeben. Besonders groß ist der Anteil der Online-Shopper in der Altersgruppe der Menschen von 25 bis 34 Jahren. In Deutschland kauften von ihnen zuletzt 94 Prozent im Internet ein. Von den sogenannten „Silver Surfern“, also den Onlinekäufern ab 65 Jahren, sind es immerhin 65 Prozent.

Autos, vor allem Neuwagen, stehen hierzulande kaum auf der Online-Einkaufsliste. Das wird sich künftig ändern, meinen die einen. Es bleibt alles so wie es ist, sagen die anderen. In wie viel Jahren Deutschlands Autofahrer im großen Stile ihren nächsten Neuwagen im Internet nicht nur konfigurieren, sondern auch gleich bestellen und bezahlen, wissen weder die einen, noch die anderen.

2016: Volvo will ausgewählte Modelle über das Internet verkaufen

Sicher hingegen ist bereits heute, dass die Menschen durchaus bereit sind, selbst teure Neuwagen im Internet zu kaufen. Dass das sogar vor einer Markteinführung funktioniert, bewies Volvo in diesem Jahr. Der Hersteller zeigte sich hocherfreut über seinen erfolgreichen Online-Testballon mit der limitierten First Edition des neuen Flaggschiffs XC90: Die 1.927 Einheiten des gut 90.000 Euro teuren Modells, die die Kunden rund zehn Monate vor der Markteinführung ausschließlich im Internet bestellen konnten, waren innerhalb von 47 Stunden ausverkauft.

Den Onlinevertrieb sieht Volvo allerdings nicht als parallelen Vertriebskanal zum klassischen Handelsgeschäft. Dieses bleibe davon unangetastet. Was sich ändere, sei die Art, wie die Kunden zu den Händlern kommen. „Wir sehen den E-Commerce als zusätzliche Möglichkeit, um die Kunden in die Autohäuser zu bringen. Es ist für die Kunden nur möglich, den reinen Bestellvorgang der Neuwagen online abzuschließen. Die Auslieferung und die Betreuung der Kunden obliegen weiterhin unseren Handelspartnern, mit denen wir das Projekt gemeinsam angehen“, hatte Alain Visser im Sommer in seiner damaligen Funktion als Volvo-Vizepräsident gesagt.

Über die genaue Ausgestaltung des E-Commerce-Projekts verhandelt der schwedische Mutterkonzern mit dem europäischen Händlerverband. Und der Kölner Importeur spricht darüber mit dem deutschen Händlerverband.

Im neuen Jahr will der schwedische Hersteller in Sachen Onlinevertrieb den zweiten Schritt gehen: Volvo will ab 2016 ausgewählte Neuwagen über das Internet anbieten, insbesondere die Performance-Modelle der Marke eignen sich dafür. Ferner hatte Visser damals angekündigt, den Neuwagen-Onlinevertrieb in spätestens zwei Jahren global auf alle Modellreihen ausweiten zu wollen.

Weihnachtsüberraschung: Smart eröffnet Online-Store

Ein bisschen spät für das Weihnachtsgeschäft, mutmaßlich aber in die Zukunft gerichtet ist ein Online-Store, dessen Eröffnung Smart am 17. Dezember verkündete. Seitdem können Kunden in Italien rund um die Uhr einen smart unter www.smartforstore.it erkunden und ihn auch gleich online kaufen. Smart sieht sich mit dem Angebot als den ersten Automobilhersteller weltweit, der „einen Online-Store für Neuwagen mit einem virtuellen Showroom verbindet.“

Das Ziel ist klar: Smart eröffnet einen weiteren Vertriebskanal, der junge und online-affine Kunden anspricht, „die gerne Neues ausprobieren und damit typisch smart sind“, wie es Smart-Chefin Annette Winkler ausdrückt. Ladenöffnungszeiten gibt es damit nicht mehr. Der virtuellen Showroom hat rund um die Uhr und an sieben Tagen pro Woche geöffnet. Angeboten wird zunächst nur in Italien, der zweitwichtigste Markt für Smart, die Sonderedition „red & the city“ des Smart fortwo und Smart forfour. Die Fahrzeugauslieferung obliegt übrigens weiterhin dem Handel, der weiterhin „der wichtigste Kundenkontaktpunkt“ soll.

Tesla verzichtet ganz auf den Handel

Dass der Verkauf von Neufahrzeugen ausschließlich über das Internet bereits funktioniert, beweist der US-amerikanische Autobauer Tesla: Der klassische Neuwagenhändler existiert für ihn nicht. In Deutschland betreibt das Unternehmen lediglich in neuerdings sechs Städten Tesla-Stores.

„Hinsichtlich des Onlinevertriebs sind wir extrem weit, da unsere Vertriebsstruktur ohne Händler auskommt“, sagt Jochen Rudat. „Man kann auf unserer Webseite ein Fahrzeug problemlos bestellen. Der Kunde kann ohne jeden persönlichen Kontakt sein Wunschauto konfigurieren, muss nur noch seine Adresse und seine Kreditkartendaten eingeben und mit dem abschließenden Knopfdruck bestellen. Erst kurz vor der Auslieferung kontaktieren wir ihn, um Details wie Versicherung oder Kennzeichen zu klären“, führt der Tesla-Deutschlandchef weiter aus. Einschränkend sagt er: „Die Onlineoption wird auch in Deutschland genutzt, aber den meisten Verkäufen gehen dennoch echte Kontakte im Tesla-Store oder auf Events voraus.“

Die Onlinevertriebskonzepte von Volvo und Tesla haben sicher auch alle anderen Automobilhersteller im Blick. Von Audi bis Volkswagen – »kfz-betrieb« hat die Vertriebsverantwortlichen zu ihren Onlinestrategien und Einschätzungen bezüglich des Neuwagen-Onlinevertriebs befragt.

(ID:43789785)